"Adipositas-Epidemie"

Kinderärzte werfen Regierung Versagen vor

BVKJ fordert Steuern und Verbote für ungesunde Lebensmittel. Edukation allein reiche nicht aus.

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Eine gesunde Gemeinschaftsverpflegung in Kindergärten und Schulen nach einem einheitlichen Ernährungsstandard fordern die Pädiater.

Eine gesunde Gemeinschaftsverpflegung in Kindergärten und Schulen nach einem einheitlichen Ernährungsstandard fordern die Pädiater.

© yacobchuk / Getty Images / iStock

BAD ORB. Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) hat einen nationalen Aktionsplan gegen die bereits bei Kindern offenkundige "Adipositas-Epidemie" gefordert.

Die bisher primär auf die individuelle Prävention und auf die Selbstverpflichtung der Industrie ausgerichtete Strategie der Bundesregierung sei gescheitert, sagte BVKJ-Präsident Dr. Thomas Fischbach zum Auftakt des Herbstkongresses des BVKJ am Donnerstag in Bad Orb.

Die rein "beratende und edukative demokratische Haltung der Bundesregierung war nicht zielführend", bekräftigte Kongress-Präsident Klaus-Michael Keller.

Druck mächtiger Lobbyisten

Auch Ernährungs- und Diätberatung reiche in einer Gesellschaft, in der "zu jeder Zeit und an allen Ecken und Enden billiges hochkalorisches Essen" verfügbar sei, bei Weitem nicht aus.

Hinzu komme der Druck mächtiger Lobbyisten der Lebensmittelindustrie, die Millionen Euro dafür ausgeben, "Politiker von Verboten ungesunder Lebensmittel abzuhalten," kritisierte Fischbach in Bad Orb.

Lob zollte der BVKJ hingegen den Verbraucherministern der Länder, die nun von der Bundesregierung konkrete Zeitvorgaben für Werbeverbote ungesunder Lebensmittel und für eine Lebensmittelkennzeichnung verlangt haben. Um diesen Prozess voranzutreiben, fordert der Verband:

»die Einführung einer Zuckersteuer und eine Ampelkennzeichnung bei Lebensmitteln,

»eine gesunde Gemeinschaftsverpflegung in Kindergärten und Schulen nach einem einheitlichen Ernährungsstandard.

»ein Werbeverbot ungesunder Lebensmittel für die Zielgruppe "Kind" und

»die klare Kennzeichnung zu fetter, zu salziger und zu süßer Produkte im Supermarkt.

Alkopop-Steuer ließ Absatz sinken

Gesetzliche Verbote verfehlten nicht ihre Wirkung, wie das Rauchverbot oder die Alkopop-Steuer belege, hieß es. Nachdem die Schnapsmischgetränke mit einer Sondersteuer belegt wurden, sank laut Fischbach deren Absatz um 80 Prozent.

Seit der Einführung von "Zucker-Abgaben" seien zum Beispiel in Großbritannien, Frankreich oder Finnland die Absatzzahlen an Süßgetränken zurückgegangen. "Durch die höheren Preise ist den Verbrauchern dort die Lust auf Süßes weitgehend vergangen."

Nach neuen Daten des Robert Koch-Instituts (KIGGS-Folgeerhebung, 2014 bis 2017) sind 15,4 Prozent der Kinder zwischen drei und 17 Jahren übergewichtig oder adipös.

Im Vergleich zur Basiserhebung (2003 bis 2006) ist dabei die Adipositasrate bei Kindern aus sozialökonomisch schlechter gestatteten Bevölkerungsschichten um das Vierfache gestiegen.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Kommentar zu Zucker in Lebensmitteln: Worten müssen Taten folgen

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