Union schwenkt um

Tabakwerbeverbot rückt näher

Als einziges Land in der EU erlaubt Deutschland noch die Außenwerbung für Tabakwaren. Die Union im Bundestag hat weitergehende Verbote bisher blockiert. Dabei ist die Wirkung von Werbung gerade auf Jugendliche gut belegt.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:
Markenbindung auch ohne Zigaretten: Werbung an einem Bahnhof im Jahr 2016.

Markenbindung auch ohne Zigaretten: Werbung an einem Bahnhof im Jahr 2016.

© Karl-Heinz Hick/dpa

BERLIN. In der Unionsfraktion im Bundestag deutet sich ein Umdenken beim Verbot der Tabakwerbung an. Über Jahre hinweg haben CDU und CSU strengere Regeln für Außenwerbung blockiert.

Nun berichtete Unionsfraktionsvize Gitta Connemann, die Fachpolitiker ihrer Fraktion hätten sich weitgehend darauf geeinigt, auch Werbung auf Litfaßsäulen oder an Bushaltestellen zu reglementieren.

Man wolle die Tabakrahmenkonvention der WHO umsetzen, „und zwar eins zu eins“. „Die Ausnahme für Außenwerbung lässt sich vor dem Hintergrund von Jugend- und Gesundheitsschutz nicht mehr halten. Ein weitergehendes Tabakwerbeverbot sollten wir bald auf den Weg bringen“, ergänzte ihr Fraktionskollege Volker Ulrich auf Twitter.

Das Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung sieht in dieser Frage den Bundestag am Zug. Der Ball liege bei den Koalitionsfraktionen, hieß es am Montag aus dem Ressort von Julia Klöckner (CDU), das auch für gesundheitlichen Verbraucherschutz zuständig ist.

Viel Platz für Werbung

Der Weg zum Werbeverbot

1966 unterzeichnen Tabakhersteller in Deutschland ein erstes Abkommen zur Selbstkontrolle.

1974 wird Rundfunk- und Fernsehwerbung für Tabakprodukte verboten.

2006 lehnt der Europäische Gerichtshof eine Klage Deutschlands gegen das EU-Tabakwerbeverbot ab.

2007 ändert der Bundestag das Tabakgesetz und setzt damit die EU-Richtlinie in deutsches Recht um.

Deutschland ist das letzte Mitglied in der EU, in dem Außenwerbung für Tabakerzeugnisse, an den bundesweit 106.000 Verkaufsstellen – Automaten nicht mitgerechnet – sowie im Kino nach 18 Uhr noch uneingeschränkt erlaubt ist.

Schon im April 2016 hatte das Bundeskabinett einen Gesetzentwurf vorgelegt, der Außenwerbung verbieten wollte. Ausnahmen waren für Fachgeschäfte sowie Trinkhallen oder Tankstellen vorgesehen. Der Entwurf kam nie im Bundestag zur Abstimmung und versank mit dem Ende der Legislatur in der Schublade.

Als ein Motiv für den Kurswechsel gilt die Entmachtung des früheren Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder, der sich gegen ein weitgehendes Werbeverbot positionierte. Eindeutig war auch die Botschaft von Sachverständigen anlässlich einer Anhörung am 10. Dezember im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft.

Reihenweise wurden den Abgeordneten Studienergebnisse vorgetragen, wonach „Tabakwerbung ein eigenständiger Risikofaktor für die Initiierung des Rauchens im Jugendalter darstellt“, sagte Professor Reiner Hanewinkel vom IFT-Nord Institut für Therapie- und Gesundheitsförderung.

„Wirksam und verfassungsgemäß“

Dr. Ute Mons vom Deutschen Krebsforschungszentrum bezeichnete bei der Anhörung ein Werbeverbot im Außenbereich als „erforderlich, wirksam und verfassungsgemäß“: „Tabakwerbung rückt bei jungen Menschen das Rauchen ins Bewusstsein, verbessert die Markenerkennung und fördert insbesondere bei Jugendlichen die Einstellungen zum Rauchen als erstrebenswertes Verhalten“, erläuterte die Leiterin der Stabsstelle Krebsprävention.

Deutschland habe bereits 2004 die WHO-Konvention zur Tabakkontrolle ratifiziert und sich so verpflichtet, die WHO-Regularien in nationales Recht umzusetzen, erinnerte Professor Daniel Kotz vom Institut für Allgemeinmedizin der Uni Düsseldorf.

In Artikel 13 ist dort ein umfassendes Werbeverbot kodifiziert. Die weltweit 180 Unterzeichnerstaaten waren verpflichtet, dieses bis spätestens 2010 umzusetzen. Der Allgemeinmediziner drängte darauf, auch E-Zigaretten in das Werbeverbot einzubeziehen. Diese enthielten in der Regel Nikotin und könnten jungen Nichtrauchern den Einstieg in das Rauchen von herkömmlichem Tabak erleichtern.

Eine Stellungnahme des Wissenschaftlichen Dienstes beim Bundestag kam bereits 2016 zum Ergebnis, ein Werbeverbot verfolge „einen verfassungsrechtlich legitimen Zweck und ist auch geeignet und erforderlich“. Dennoch steht eine klare Positionierung der Bundesregierung in dieser Frage aus.

Noch vergangene Woche verlor sich Hans-Joachim Fuchtel, Staatssekretär im Landwirtschaftsministerium im Ungefähren: Die politische Diskussion über eine Ausweitung des Werbeverbots sei „noch nicht abgeschlossen“.

 Die Ärztin und Grünen-Gesundheitspolitikerin Kirsten Kappert-Gonther nannte es überfällig, dass die Unionsfraktion den „Kuschelkurs mit der Tabaklobby“ beende. Ein Vorschlag der Grünen für ein Tabakwerbeverbot liege vor. „Die Koalition muss nur noch zustimmen.“

Wir haben den Artikel verändert und verlängert am 04.02.2019 um 16:15 Uhr.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Von Argumenten eingeholt

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