Prävention

Der Geist ist willig, aber ein Bier passt doch noch rein

Der politische Wille, Prävention zu fördern ist groß, aber viele Menschen scheitern an den eigenen Schwächen.

Dirk SchnackVon Dirk Schnack Veröffentlicht:

KIEL. In Deutschland hat sich in den vergangenen Jahren viel getan in Sachen Prävention. Wie aber hat sich das konkret auf die Bekämpfung der Erkrankungsursachen Nikotin, Alkoholkonsum, mangelnde Bewegung und ungesunde Ernährung ausgewirkt? Hier gibt es Luft nach oben, wie eine Veranstaltung des Ersatzkassenverbandes Schleswig-Holstein in Kiel zeigte.

Professor Reiner Hanewinkel, Leiter des Instituts für Therapie- und Gesundheitsforschung (IFT-Nord) in Kiel und Vorstandsmitglied des Bundesverbandes Prävention und Gesundheitsförderung zog eine gemischte Bilanz.

  • Bewegung: Insbesondere Männer im mittleren Alter sind nach seiner Beobachtung häufig Bewegungsmuffel – nehmen sich selbst aber nicht als solche wahr. Neben dem eigenen Verhalten könne auch die Verhältnisprävention verbessert werden, um Bewegung im Alltag zu erleichtern, so Hanewinkel. Als Beispiel nannte er das im Vergleich zu anderen europäischen Ländern schlecht ausgebaute Radwegenetz in Deutschland.
  • Ernährung: Hier gibt es zwar den Wunsch und bei vielen Menschen auch das Bemühen, auf gesunde Ernährung zu achten. Dies könnte aber durch entsprechende Rahmenbedingungen erleichtert werden. Hanewinkel nannte etwa eine Ampel, die Aufschluss über gesunde oder ungesunde Nahrungsmittel geben könnte sowie eine „Zuckersteuer“. Beide Möglichkeiten würden in Nachbarstaaten schon genutzt, so Hanewinkel.
  • Alkohol: Hanewinkel sieht zwar Fortschritte in der Aufklärung – der Gesamtkonsum sei aber zu hoch. „Wir haben in unserer Gesellschaft ein Alkoholproblem“, steht für ihn fest. Die Ursachen seien vielschichtig. Eine der wichtigsten: die gesellschaftliche Akzeptanz für dieses Suchtmittel. Diese äußert sich unter anderem in Preisen, die zum Teil deutlich unter denen skandinavischer Länder liegen. Aber auch darin, dass Werbung für Alkohol in Deutschland auf breiter Front zulässig und die Ware rund um die Uhr erhältlich ist. Als weiteren Punkt nannte Hanewinkel die uneinheitliche Regelung zur Promillegrenze am Steuer.
  • Nikotin: Hier sieht Hanewinkel die größten Fortschritte. Den Rückgang beim Nikotinkonsum führt er auf ein Maßnahmenbündel zurück. Neben den massiven Einschränkungen in der Werbung nannte Hanewinkel unter anderem die gestiegenen Preise, die Warnhinweise auf den Zigarettenschachteln, das heraufgesetzte Alter für die Abgabe von Zigaretten und Aufklärungskampagnen.

Hanewinkel regte an, die erfolgreichen Maßnahmen als Blaupause für das Engagement in anderen Bereichen zu nutzen. Zugleich warnte er vor zu hohen Erwartungen und der Forderung nach messbaren Ergebnissen durch Präventionsmaßnahmen. Bevor ein messbar geringerer Konsum eintritt, gab er zu bedenken, kämen oft Zwischenschritte, die durchaus als Erfolge angesehen werden dürfen – etwa vermehrtes Wissen und eine erste Sensibilisierung der Bevölkerung für das Problem.

Geld nur gegen Nachweis – diese Formel funktioniert in der Prävention zumindest nicht kurzfristig.

Michael Kraus Gesundheitsplaner bei der Stadt Flensburg

Auch Michael Kraus, im Öffentlichen Gesundheitsdienst der Stadt Flensburg als Gesundheitsplaner tätig, warnte vor überzogenen Erwartungen, insbesondere von Kostenträgern. „Geld nur gegen Nachweis“ – diese Formel funktioniere in der Prävention zumindest nicht kurzfristig“, gab Kraus zu bedenken. Er verwies in diesem Zusammenhang auf Verhaltensweisen, die sich Menschen über Jahrzehnte angewöhnt haben.

Diese mit ein paar Kursen zu ändern, gehe an der Realität vorbei. Kraus sieht in mangelnden personelle Ressourcen ein wichtiges Hindernis, um Prävention stärker in den Lebenswelten der Menschen zu verankern. „Wir brauchen Motoren“, forderte Kraus in der Diskussionsrunde. Denn Wissen und Kompetenz der Menschen in Sachen Prävention und Gesundheitsvorsorge könnten sich erst mit steigendem Fachpersonal, das diese Kompetenz vermittelt, auch verbreiten.

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