Mehr Mitsprache

Streit um SAPV in Nordrhein

Direktverträge zwischen SAPV-Teams und Kassen? In Nordrhein gibt es darüber einen heftigen Streit. Die KV wehrt sich und fordert mehr Mitsprache.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Hilfe am Ende des Lebens: Versorgungsstrukturen weiter umstritten.

Hilfe am Ende des Lebens: Versorgungsstrukturen weiter umstritten.

© Berg / dpa

KÖLN. In Nordrhein streiten die Krankenkassen und die Kassenärztliche Vereinigung (KVNo) über die künftige vertragliche Gestaltung der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV). Die Krankenkassen wollen über ein sogenanntes Open House-Verfahren direkte Verträge mit den SAPV-Teams schließen und sehen die Rolle der KV vor allem in der Qualitätssicherung. Die KVNo dagegen wünscht sich eine gestaltende Rolle.

Seit im Juni 2016 das Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG) entschieden hat, dass SAPV-Verträge dem Vergaberecht unterliegen, ist der Abschluss neuer Verträge ins Stocken geraten, unter den SAPV-Teams herrscht große Unsicherheit.

Seither warten die Beteiligten auf ein politisches Signal. Die Bundesarbeitsgemeinschaft SAPV, die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin und andere plädieren dafür, die SAPV komplett aus dem Vergaberecht zu nehmen. Das wollen Union und SPD laut Koalitionsvertrag prüfen.

Weiter Regionen ohne SAPV-Teams

Die Krankenkassen in Nordrhein wollen nicht untätig bleiben, bis Klarheit besteht, sagt Matthias Mohrmann, Vorstand der AOK Rheinland/Hamburg. "Wir haben immer noch Regionen, in denen es keine SAPV-Teams gibt." Dafür müsse eine Lösung gefunden werden, die dem OLG-Urteil Rechnung trägt, erläutert er.

Die Kassen haben sich für ein Open House-Verfahren entschieden: SAPV-Teams, die bestimmte Qualitätsanforderungen erfüllen und mit den Vergütungsvorstellungen der Kassen einverstanden sind, erhalten eine Zulassung. Bei den Vorgaben orientieren sich die Kassen an den Strukturen, die in Nordrhein bereits etabliert sind und gut funktionieren, sagt Mohrmann.

Es gehe nicht darum, die Vergütung zu drücken, betont er. "Wir haben uns immer mit Herzblut für diese Versorgungsform eingesetzt und wollen das nicht gefährden." Der AOK-Vorstand geht davon, dass die Kassen künftig eher mehr als weniger für die SAPV ausgeben werden. "Wir wollen keine Discounterpreise."

Die Verträge sollen direkt zwischen den Kassen und den Teams abgeschlossen werden, wie es Paragraf 132d Sozialgesetzbuch V vorsieht. Die KVNo soll aber über die Qualitätssicherung und die Evaluation der Versorgung einbezogen werden. "Die KV bleibt für uns ein wichtiger Partner", sagt Mohrmann. Die Abrechnung soll allerdings nicht mehr über die KVNo laufen, sondern direkt zwischen Kassen und Teams. "Das Geld, das wir dadurch sparen, geht in die Pauschalen für die SAPV-Teams", verspricht Mohrmann.

KVNo-Chef Dr. Frank Bergmann bezweifelt, dass die Abwicklung über die Kassen billiger wird. Aber das ist nur einer der Punkte, der ihn ärgern. "Ich finde das Vorgehen der Kassen ausgesprochen bedauerlich." Die KV habe zwar weiterhin den Sicherstellungsauftrag, bleibe bei der Umsetzung der SAPV aber außen vor, kritisiert er.

Bislang spiele die KV zu Recht eine wichtige Rolle bei der Prüfung der Eignung der SAPV-Teams und der ärztlichen und pflegerischen Qualifikationen. Bei der Mitteilungspflicht der Teams gegenüber der KV sollte es seiner Meinung nach bleiben. "Wir müssen sehen, wie versorgt wird."

Zahl der Fälle wird steigen

In vielen Feldern sei es das Bestreben von KVNo und Kassen, Versorgung gemeinsam zu organisieren. Bergmann versteht nicht, warum das ausgerechnet in der SAPV nicht mehr der Fall sein soll. Trotz gegenteiliger Beteuerungen sieht der KVNO-Chef vor allem einen Grund für das Vorgehen der Kassen: "Sie wollen an die Kosten heran." Angesichts der demografischen Entwicklung sei klar, dass die Zahl der Fälle steigen wird.

Bergmann plädiert dafür, in Nordrhein die allgemeine ambulante Palliativversorgung und die SAPV in einem strukturierten Konzept zusammenzuführen. Das gehe aber nur, wenn die KV mit im Boot bleibt – was seiner Meinung nach problemlos möglich wäre.

Das sieht Michaela Hach, die Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) SAPV, anders. "SAPV-Verträge mit KVen sind rechtswidrig", sagt sie. Die Bundesarbeitsgemeinschaft plädiert dafür, dass alle SAPV-Teams, die die qualitativen und personellen Voraussetzungen erfüllen und regional vernetzt sind, die Leistungen erbringen und gegenüber den Kassen abrechnen dürfen. Wenn es nicht möglich sei, die SAPV komplett aus dem Vergaberecht herauszunehmen – was Ziel der BAG bleibt – sollte die Vergabe über ein vereinfachtes Verfahren erfolgen, so Hach.

Ob das von den Kassen in Nordrheinangestrebte Open House-Verfahren den Vorstellungen entspricht, hänge von der konkreten Ausgestaltung ab. Klar ist für Hach, dass SAPV-Verträge weder befristet und noch budgetiert sein dürfen. "Mit solchen Verträgen lässt sich das hochqualifizierte Personal, das man für die SAPV benötigt, nicht gewinnen."

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