KBV-Praxisassistenten

"Nur schlechte Kopie der VERAH"

Die Selektivvertragspartner halten die Regelung über nichtärztliche Praxisassistenten (NäPa) für einen Fremdkörper in Baden-Württemberg. Sie werfen der KBV eine realitätsferne Regelung vor.

Von Jürgen Stoschek Veröffentlicht:
Die Versorgungsassistentin VERAH ist in der HzV vor allem im Case-, Impf- und Wundmanagement tätig.

Die Versorgungsassistentin VERAH ist in der HzV vor allem im Case-, Impf- und Wundmanagement tätig.

© Klaus Rose

STUTTGART. Seit 1. Januar können größere Hausarztpraxen nichtärztliche Praxisassistenten (NäPa) über den EBM abrechnen.

Die dafür eingeführten neuen Abrechnungsziffern sind jedoch an eine Reihe von Bedingungen geknüpft, die nach Ansicht von Dr. Berthold Dietsche, Vorsitzender des baden-württembergischen Hausärzteverbandes, realitätsfern sind und zu Fehlanreizen verleiten.

Dass es auch anders geht, beweise seit Jahren die hausarztzentrierte Versorgung (HzV), so Dietsche. In der HzV gibt es bundesweit für die Vorhaltung einer VERAH (Versorgungsassistentin in der Hausarztpraxis) einen Zuschlag von fünf Euro auf die Chronikerziffer P3.

"Da muss nichts abgerechnet werden, der Zuschlag wird automatisch zugesetzt", erläutert Dietsche. Wie die VERAH im Einzelfall eingesetzt wird, entscheide allein der Hausarzt und das Praxisteam.

Hälfte der Praxen bleibt außen vor

In Baden-Württemberg, wo die VERAH seit 2008 in der HzV etabliert und der Nutzen des Einsatzes wissenschaftlich nachgewiesen ist, sind nach Dietsches Angaben dadurch etwa die Hälfte aller Hausarztpraxen von der Neuregelung im EBM teilweise ausgeschlossen.

 "Allein das zeigt, dass die NäPa-Regelung der KBV an der Wirklichkeit vorbeigeht", so Dietsche.

"Abseitig" sei auch die Verknüpfung des NäPa-Einsatzes mit dem Hausbesuch, der einschließlich Wegegeld mit 17,05 Euro vergütet wird.

"Was passiert denn, wenn der Hausbesuch einer NäPa in etwa genauso vergütet wird wie der reguläre Hausbesuch?", fragt sich Dietsche.

Die dadurch induzierte Ausweitung der Hausbesuchstätigkeit von NäPas führe wohl kaum zu einer besseren Versorgung und sei "desaströs".

Da werde ein neues Hamsterrad etabliert, mit der Folge, dass "die NäPas demnächst wie ein Bienenschwarm um die Pflegeheime herumschwirren", erklärt Dietsche.

Abgesehen davon sei die Strukturpauschale von 2,26 Euro für die Anstellung einer Praxisassistentin "ein Witz".

Mit ihrer Neuregelung habe die KBV das VERAH-Konzept ohne Sinn und Verstand aus dem Gesamtzusammenhang der HzV herausgelöst und in das Kollektivvertragssystem eingefügt.

"Die Vorstellung, dass die VERAH nur Hausbesuche fährt, geht an der Realität völlig vorbei", sagt Dietsche. Hausbesuche machten etwa 20 bis 30 Prozent der Tätigkeit einer VERAH aus.

Die speziell fortgebildeten MFA würden in der Hausarztpraxis vor allem auch im Case-Management, bei den DMP, im Impf- und im Wundmanagement eingesetzt, um so den Hausarzt zu entlasten.

Der Erfolg der HzV - nicht nur in Baden-Württemberg, sondern bundesweit - liege in einer völlig anderen Gebührenordnung und in einer besseren Form der Versorgungssteuerung, betont Dietsche.

Daher könne man ein einzelnes Element des Selektivvertrags, wie etwa den Einsatz von nicht-ärztlichen Praxisassistenten, nicht ausschneiden und in das Kollektivvertragssystem implantieren. "Das wird danebengehen", so Dietsches Prognose.

"Kein Versuchslabor"

Das sehen die anderen Vertragspartner der HzV in Baden-Württemberg ähnlich: "Der Zuschlag von fünf Euro auf die Chronikerziffer P3 in der HzV ist ein fester Betrag, mit dem der Arzt sicher rechnen kann", betont der stellvertretende Vorsitzende von Medi Baden-Württemberg, Dipl.-Pol. Ekkehard Ruebsam-Simon.

Im Kollektivvertrag wisse der Arzt dagegen im Einzelfall nicht genau, was ihm der Einsatz einer NäPa bringt.

"Aus gutem Grund werden in der HZV-BW Hausbesuche nicht als Einzelleistungen vergütet", so Ruebsam-Simon - die Erfahrungen mit der HZV in Bayern oder früher schon im Kollektivsystem hätten gezeigt, dass damit massiv falsche Anreize gesetzt wurden.

Die Welt der Selektivverträge in Baden-Württemberg sei kein "Versuchslabor für ein verkorkstes KBV-System", sagt Dr. Christopher Hermann, Vorstandsvorsitzender der AOK Baden-Württemberg.

Dort sei mit den Selektivverträgen eine strukturierte Versorgung flächendeckend etabliert, hinter der ein Gesamtkonzept stehe. "Sich einzelne Elemente auch noch schlecht kopiert herauszupicken, macht den Kollektivvertrag keinen Deut besser", so Hermann.

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