Suizidhilfe im Kanton Zürich mit expliziter staatlicher Billigung

Die Vereinbarung zur Sterbehilfe zwischen dem Kanton Zürich und der Sterbehilfeorganisation Exit wird kontrovers diskutiert - nicht nur in der Schweiz.

Von Sabine Schiner Veröffentlicht:
Mittel für den letzten Weg: Betäubungsmittel Natrium-Pentobarbital.

Mittel für den letzten Weg: Betäubungsmittel Natrium-Pentobarbital.

© Foto: dpa

Der begleitete Suizid eines bekannten britischen Dirigenten in der Schweiz hat in Großbritannien für großes Aufsehen gesorgt. Nach Medienberichten erwägt Bundesrat Pascal Couchepin jetzt ein Verbot der organisierten Suizidhilfe. Der Staat müsse sehr zurückhaltend sein, wenn es um das Leben der Menschen gehe, sagte Couchepin und forderte eine Debatte über die Suizidbeihilfe.

Eine solche Debatte hat der Züricher Vorstoß längst ausgelöst. Unter anderem hat sich die Bioethikkommission der Schweizer Bischofskonferenz gegen organisierte Suizidhilfe und für die Stärkung der Palliativmedizin ausgesprochen. Auch Staatsrechtler zweifeln die vertragliche Regelung an - es sei nicht Aufgabe der Staatsanwaltschaft, die Rechtmäßigkeit einer privaten Organisation wie Exit abzusichern.

Die Vereinbarung über die organisierte Suizidhilfe zwischen Exit, der Vereinigung für humanes Sterben, und der Oberstaatsanwaltschaft des Kanton Zürichs soll am 15. September in Kraft treten und umfasst in über 50 Punkten rechtliche Grundlagen und finanzielle Absprachen - so sollen Kosten für die strafrechtliche Abklärung eines Suizids vom Staat getragen werden (wir berichteten).

Vorgeschrieben wird auch der Umgang mit Natrium-Pentobarbital (NaP). Vor Ausstellung eines Rezeptes in Höhe der tödlich wirkenden Dosis von 15 Gramm NaP muss die "sterbewillige Person zu mindestens zwei verschiedenen Zeitpunkten ärztlich untersucht worden sein". Exit ist verpflichtet, den Arzt darauf hinzuweisen, dass er vor der Rezeptierung seine Dokumentation zu überprüfen und eine Krankengeschichte zu führen hat, worin die Dokumente abgelegt sind. Die Geschäftsstelle von Exit muss das nicht-verwendete NaP - der Arzt kann, wenn er es für nötig hält, eine Reservedosis verschreiben - an die Bezugsapotheke zurückgeben.

Die Vereinbarung sieht zudem vor, dass ein Freitod-Begleiter pro Jahr höchstens zwölf Menschen in den Tod begleiten und dafür höchstens 500 Franken Spesen abrechnen darf.

Suizidhilfe ist nur dann zu gewähren, wenn der Suizidwunsch von einem psychisch Gesunden geäußert wird und aus einem "schweren, krankheitsbedingten Leiden heraus entstanden ist." Bei Doppelsuiziden, so steht unter Punkt 4, müssten zwei Ärzte hinzugezogen werden. Zudem müssten die Bedingungen für jede Person einzeln erfüllt werden.

Damit soll Fällen vorgebeugt werden, wie dem jetzt bekannt gewordenen Tod des englischen Dirigenten Sir Edward Downes. Er war mit seiner krebskranken Frau in einer Schweizer Klinik der Sterbehilfeorganisation Dignitas - im Unterschied zu Exit leistet die Organisation auch Nicht-Schweizern Sterbehilfe - gestorben. Seine Frau hatte an Bauchspeicheldrüsen-Krebs gelitten, die Ärzte hatten ihr nur noch wenige Wochen zu leben gegeben. Downes selbst war hingegen nach Angaben seines Sohnes Caractus Downes nicht unheilbar krank. Er sei allerdings körperlich an einem Punkt angelangt, wo er entschied, dass er "sein Leben beendet", zitiert ihn die "Süddeutsche Zeitung".

In Großbritannien kann Beihilfe zum Suizid mit einer Haftstraße von bis zu 14 Jahren geahndet werden. Auch der Ärzteverband, die British Medical Association, steht jeder Form von Sterbehilfe ablehnend gegenüber. In Deutschland ist Beihilfe zum Suizid - wie in der Schweiz - keine Straftat. Verlieren Patienten bei einem Suizidversuch das Bewusstsein, müssen Ärzte allerdings versuchen, ihr Leben zu retten. Sonst können sie wegen eines Tötungsdeliktes durch Unterlassen bestraft werden. Davon unabhängig verstößt die Teilnahme am assistierten Suizid gegen ärztliches Standesrecht: "Die Mitwirkung des Arztes bei der Selbsttötung widerspricht dem ärztlichen Ethos", heißt es bei der Bundesärztekammer.

Exit - Vereinigung für humanes Sterben

Exit (Deutsche Schweiz), Vereinigung für humanes Sterben, ist 1982 gegründet worden. Sie zählt mehr als 50 000 Mitglieder, der Sitz ist in Zürich. Exit setzt sich nach eigenen Angaben für das Selbstbestimmungsrecht des Menschen im Leben und im Sterben ein und unterstützt seine Mitglieder bei der Durchsetzung dieses Rechts. Im Jahr 2007 haben sich 179 Menschen von Exit beim Suizid begleiten lassen, teilt die Vereinigung mit. In allen Fällen habe ein Arzt eine Diagnose gestellt, die Urteilsfähigkeit des Sterbewilligen bestätigt und das Sterbemittel verschrieben.

Mehr zum Thema

Kritik an „Suizidtourismus“ in den USA

Mehrere US-Bundesstaaten wollen Beihilfe zum Suizid erlauben

Ethische Fragen

Wille oder Wohl des Patienten – was wiegt stärker?

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Ulrike Elsner

© Rolf Schulten

Interview

vdek-Chefin Elsner: „Es werden munter weiter Lasten auf die GKV verlagert!“