Versorgung Schwerstkranker

Hospiz- und Palliativgesetz muss sich nun bewähren

Vor über einem Jahr ist das Hospiz- und Palliativgesetz in großer politischer Eintracht verabschiedet worden. Jetzt gilt für die Akteure vor Ort: Kooperation ist Trumpf.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Bei der Palliativversorgung gibt es viele Fortschritte.

Bei der Palliativversorgung gibt es viele Fortschritte.

© Photographee.eu / Fotolia.com

STOLBERG. Es ist selten im Gesundheitswesen, dass ein Gesetz auf überwiegend positive Resonanz stößt. Das Hospiz- und Palliativgesetz (HPG) hatte bei seiner Verabschiedung im November 2015 nicht nur eine große parteiübergreifende Mehrheit der Abgeordneten hinter sich – gut ein Jahr nach dem Inkrafttreten ist die Zuversicht bei vielen Akteuren nach wie vor groß.

Dennoch gibt es keinen Grund, sich entspannt zurückzulehnen und die Hände in den Schoß zu legen. Mit der konkreten Umsetzung steht die eigentliche Nagelprobe noch bevor.

Deutliche Verbesserungen

Der Präsident der Ärztekammer Nordrhein (ÄKNo) Rudolf Henke sparte beim 106. Aachener Hospizgespräch in Stolberg nicht mit Lob. "Das 2015 in Kraft getretene Hospiz- und Palliativgesetz ist ein Meilenstein zur Verbesserung der Versorgung Schwerstkranker und Sterbender und ein weiteres wichtiges Signal für die Ältesten unserer Gesellschaft, aber auch für deren Angehörige und Pflegende", sagte er.

Gerade für strukturschwache Regionen enthalte das Gesetz viele Maßnahmen zur Förderung eines flächendeckenden Ausbaus der Hospiz- und Palliativversorgung.

Henke geht davon aus, dass das HPG die Versorgung in stationären Pflegeeinrichtungen weiter verbessert, nicht zuletzt durch die Verpflichtung der Einrichtungen, Kooperationsverträge mit Vertragsärzten abzuschließen. "Die Zusammenarbeit mit niedergelassenen Haus- und Fachärzten ist für eine adäquate medizinische Versorgung unerlässlich", betonte er.

Bei der konkreten Umsetzung der Gesetzesgrundlagen wird es nach seiner Ansicht wesentlich auf die enge Zusammenarbeit von haupt- und ehrenamtlich Tätigen ankommen. Dort, wo es wie in NRW bereits gut entwickelte Versorgungsstrukturen gibt, sollten sie berücksichtigt und auf Bundesebene zur Orientierung genutzt werden, forderte der ÄKNo-Präsident.

Notwendig ist für ihn die Koordination und Vernetzung, um einen reibungslosen Versorgungsprozess verschiedener palliativ-medizinischer, palliativ-pflegerischer und hospizlicher Hilfsangebote zu ermöglichen. "In der Versorgung schwerstkranker und sterbender Menschen kommt der Zusammenarbeit der Sektoren und Berufsgruppen eine besondere Bedeutung zu."

Für den CDU-Bundestagsabgeordneten Michael Brand besteht eine große Herausforderung darin, die Angebote der Palliativmedizin und der Hospizarbeit breiter bekannt zu machen. "Nur wer die Angebote kennt und weiß, was es für Möglichkeiten gibt, kann sie am Ende nutzen." Deshalb sei es wichtig, das Thema Leben und Sterben aus der Tabuzone zu holen. Das gelte auch für den Suizid. "Der Tod ist ein Tabu, Suizid und psychische Erkrankungen sind immer noch ein Riesen-Tabu." Die Suizidprävention und die Trauerarbeit gehören zu den Bereichen, in denen Brand noch besonders großen Nachholbedarf sieht. Der Abgeordnete aus dem hessischen Fulda hatte gemeinsam mit Kerstin Griese von der SPD den Gesetzentwurf zum Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe eingebracht, der im November 2015 eine breite Mehrheit im Bundestag fand.

Bei der Umsetzung und Weiterentwicklung des HPG sollten die beteiligten Akteure den Dialog mit der Politik suchen, empfahl Brand. Im Moment gebe es dafür die notwendige Offenheit und Aufgeschlossenheit. "Wir sind in einer Phase, in der man heiße Eisen schmieden muss."

Nicht jeder braucht die SAPV

Das HPG wird die allgemeine Palliativversorgung in die Breite bringen, hofft Professor Roman Rolke, Direktor der Klinik für Palliativmedizin am Uniklinikum Aachen. "Ich bin dankbar, dass wir eine Verbreiterung der Angebote haben, weil nicht jeder die spezialisierte Palliativversorgung braucht."

Rolke begrüßte die Förderung einzelner Projekte zur Versorgungsforschung in der Palliativmedizin durch den Innovationsfonds. So könne man erkennen, welche Instrumente sinnvoll sind und sich in der Praxis bewähren und an welchen Stellen das Gesetz korrigiert und nachjustiert werden muss.

"Wir benötigen weitere Strukturen, um die palliative Kompetenz zu verbessern", bestätigte Professor Hans Christof Müller-Busch, ehemaliger Präsident der Gesellschaft für Palliativmedizin. Von den 900 000 Menschen, die jährlich in Deutschland sterben, sei nur bei 40 000 bis 50 000 die spezialisierte ambulante Palliativversorgung erforderlich. Die große Zahl der anderen brauche am Ende des Lebens die allgemeine Palliativversorgung durch Hausärzte, Pflegedienste, Beratungsdienste und Palliativbeauftragte in Kliniken.

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