Bundesverfassungsgericht

Sterbehilfe-Verbot auf dem Prüfstand

Sterbehilfe als Dienstleistung steht in Deutschland unter Strafe. Dagegen wehren sich Schwerstkranke, Sterbehilfe-Vereine und Ärzte seit Dienstag vor dem Bundesverfassungsgericht.

Anke ThomasVon Anke Thomas Veröffentlicht:
Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichtes eröffnet die mündliche Verhandlung zum Sterbehilfe-Verbot.

Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichtes eröffnet die mündliche Verhandlung zum Sterbehilfe-Verbot.

© dpa

KARLSRUHE. Vor falschen Erwartungen an das Verfahren warnte Andreas Voßkuhle, Präsident des Bundesverfassungsgerichts, zum Auftakt der zweitägigen Verhandlung in Karlsruhe.

Es gehe „nicht um die moralische oder politische Beurteilung der Selbsttötung und ihrer Folgen für die Gesellschaft (...) sondern allein um die Reichweite des Freiheitsraums, den das Grundgesetz einer staatlichen Strafdrohung entgegensetzt“.

Hintergrund des Verfahrens sind etwa frühere Aktivitäten des Hamburger Vereins Sterbehilfe Deutschland, der von Ex-Justizsenator Roger Kusch 2009 gegründet wurde.

Zügige Bearbeitung kostet 7000 Euro

Nach Schweizer Vorbild bot der Verein Mitgliedern den begleiteten Suizid an. Vollmitglieder zahlten 200 Euro jährlich mit Einhaltung einer Wartefrist. Gegen Zahlung von 7000 Euro konnte zügige Bearbeitung erkauft werden.

2015 hat der Verein für Sterbehilfe nach Einführung des Paragrafen 217 Strafgesetzbuch (StGB) seine Aktivitäten auf Eis gelegt und Verfassungsbeschwerde eingelegt.

Derweil sollen deutsche Mitglieder des Vereins seit 2018 auch Angehörige nach Zürich schicken können, die mit tödlichem Medikament und „detaillierter Anleitung“ zurückkämen.

Unter den Klägern vor dem Bundesverfassungsgericht sind auch schwerkranke Mitglieder, die die Unterstützung des Vereins wegen oben genanntem nicht in Anspruch nehmen können.

Sieben Ärzte unter den 13 Beschwerdeführern

Als „inhuman“ bezeichnete Bernd Hecker, Bevollmächtigter des Vereins Sterbehilfe Deutschland, die derzeitige gesetzliche Regelung vor den Bundesverfassungsrichtern. Sie verweise Menschen, die ihr Leben wegen einer unerträglicher Krankheit selbst beenden möchten, auf die Unterstützung von Laien, argumentierte Hecker.

Sieben Ärzte, die ihre Berufsfreiheit von der Vorschrift bedroht sehen, sind unter den 13 Beschwerdeführern. Durch gute Beratung und gute Behandlung könnten Palliativmediziner ihren Patienten den Todeswunsch meist nehmen. Doch dies gelinge nicht immer, so etwa der Wittener Arzt Matthias Thöns.

Für viele Betroffene sei ärztliche Unterstützung beim Suizid auch deswegen alternativlos, weil ihnen Verwandte nicht zur Verfügung stehen oder stehen wollen, sagte Christoph Knauer als Bevollmächtigter eines Beschwerdeführers. „Das Gesetz steht in keinem Verhältnis zur Einschränkung des Klägers“, sagte Knauer.

DGP: Geäußerter Todeswunsch keine konkrete Handlungsaufforderung

Nach Einschätzung der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP) hat der Paragraf 217 keine negativen Auswirkungen auf die Palliativversorgung unheilbar erkrankter Menschen.

„Es zählt unbedingt zu den Aufgaben aller in der Palliativversorgung Tätigen, sich offen und respektvoll mit Sterbewünschen, wie auch Suizidwünschen im engeren Sinne, auseinanderzusetzen“, so Professor Lukas Radbruch, DGP-Präsident in einer Pressemitteilung. Er ist vor dem Bundesverfassungsgericht als Sachverständiger geladen.

Es sei zu kurz gegriffen, einen geäußerten Todeswunsch als konkrete Handlungsaufforderung im Sinne einer Bitte um Suizidbeihilfe zu verstehen.

BÄK gegen Sterbehilfe als Dienstleistung

Sterbehilfe als Dienstleistung muss in Deutschland verboten bleiben, unterstrich Professor Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer in einer Pressemitteilung.

„Menschen mit existenziellen Leiden benötigen medizinische Hilfe und menschliche Zuwendung. Palliativmedizin vermag dies zu leisten, geschäftsmäßige Sterbehilfe dagegen nicht“, so Montgomery weiter.

Die beiden Mitinitiatoren des Verbots der geschäftsmäßigen Sterbehilfe im Bundestag verteidigten den Paragrafen 217 StGB. Es habe die Gefahr bestanden, dass Suizidbeihilfe zur normalen Dienstleistung wird, sagte die SPD-Abgeordnete Kerstin Griese am Dienstag. „Uns geht es um Hilfe beim Sterben, nicht um Hilfe zum Sterben“, sagte sie. Deswegen sei es dem Bundestag wichtig gewesen, parallel den Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung voranzubringen.

Der Blick in Nachbarländer zeige, dass Angebot auch Nachfrage schaffe, ergänzte Michael Brand (CDU). Das Gesetz wirke zielgenau und präventiv.

Das Urteil der Bundesverfassungsrichter wird in einigen Monaten erwartet. (Mit Material von dpa)

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