Reaktionen

Sterbehilfe-Urteil stößt bei Ärzteverbänden auf Bedenken

Das jüngste Urteil des BGH zur Sterbehilfe schlägt hohe Wellen. Die Reaktionen darauf fallen unterschiedlich aus. So warnt der MB-Vorsitzende Rudolf Henke vor einer schleichenden Legalisierung des ärztlich begleiteten Suizids.

Thomas HommelVon Thomas Hommel und Anno FrickeAnno Fricke Veröffentlicht:
Johann Friedrich Spittler (l) und Christoph Turowski, Ärzte aus Hamburg und Berlin, unterhalten sich vor Gericht: Der Bundesgerichtshof hat in Leipzig über die Revision gegen die Freisprüche der beiden Ärzte verhandelt.

Johann Friedrich Spittler (l) und Christoph Turowski, Ärzte aus Hamburg und Berlin, unterhalten sich vor Gericht: Der Bundesgerichtshof hat in Leipzig über die Revision gegen die Freisprüche der beiden Ärzte verhandelt.

© Hendrik Schmidt/dpa-Zentralbild/ZB (Archivbild)

BERLIN. Vertreter der Ärzteschaft haben mit Skepsis und Bedauern auf das Sterbehilfe-Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) reagiert. Das Gericht hatte Mittwoch zwei Mediziner freigesprochen, die kranke Patienten beim Sterben begleitet hatten.

Es sei fatal, wenn das Urteil in der Bevölkerung Erwartungen wecke, die auf einen „regelhaften Anspruch auf ärztliche Assistenz beim Suizid gerichtet sind“, sagte Bundesärztekammerpräsident Dr. Klaus Reinhardt. Daher sei und bleibe es richtig, wenn Handlungen zur geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung strafbar blieben. Derzeit läuft beim Bundesverfassungsgericht ein Verfahren, das sich mit Angeboten von Sterbehilfevereinen beschäftigt.

Reinhardt betonte, dass die Beteiligung an Selbsttötungen nicht zu den ärztlichen Aufgaben zähle. Es sei vielmehr Aufgabe von Ärzten, Leben zu erhalten, Leiden zu lindern und Sterbenden Beistand zu leisten.

"Wegschauen ist keine Hilfe"

Der Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, Dr. Theodor Windhorst, nannte das Urteil bedauerlich. „Selbsttötung ist keine Therapie, Wegschauen ist keine Hilfe.“

Kritisch äußerte sich auch der Vorsitzende des Marburger Bundes, Rudolf Henke. „Der Widerspruch zu berufsrechtlichen Pflichten der Ärzte ist evident“. Wenn Mediziner in ihren Grundsätzen von Sterbebegleitung sprächen, meinten sie Beistand und Fürsorge.

Die Berufsordnung lasse zudem keinen Zweifel zu: „Ärzte dürfen keine Hilfe zur Selbsttötung leisten.“ Selbst Ärzten sei es nahezu unmöglich einzuschätzen, ob der Sterbewunsch eines Patienten endgültig sei, betonte Henke.

Auch Stiftung Patientenschutz dagegen

Der Vorstand der Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, sagte, mit seinem Urteil habe der BGH „das Tor zur organisierten Sterbehilfe geöffnet“. Er blicke mit Sorge auf das Bundesverfassungsgericht. „Hier könnte das Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung weiter aufgeweicht werden.“

FDP-Gesundheitspolitikerin Katrin Helling-Plahr sprach dagegen von einem „wichtigen Referenzurteil“. Der BGH rücke den bekundeten Willen der Betroffenen ins Zentrum. „Selbstbestimmung ist ein zentrales Gut.“ Das rechtliche und moralische Dilemma, vor dem Ärzte angesichts des Sterbewunsches eines Patienten stünden, sei untragbar. „Jetzt ist klar, dass der individuelle Patientenwunsch Vorrang genießt.“

Die Deutsche Bischofskonferenz ließ mitteilen, man wolle den Richterspruch nicht kommentieren, ohne die gesamte Urteilsbegründung zu kennen.

Höchstrichtlicher Freispruch

  • Der Bundesgerichtshof hatte am Mittwoch zwei Ärzte aus Berlin und Hamburg freigesprochen.
  • Die Ärzte hatten drei Patientinnen beim Sterben begleitet. Die Verstorbenen hatten sich mit Tabletten selbst getötet.
  • Weil die Ärzte nicht versucht hatten, die Frauen zu retten, waren sie wegen Hilfe zur Selbsttötung angeklagt.
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