Warnstreik

Klinikärzte streiken für bessere Arbeitsbedingungen

Mehrere Tausend Ärzte haben sich am Mittwoch am Warnstreik des Marburger Bundes (MB) beteiligt. Und das könnte erst der Auftakt einer ganzen Streikserie sein, mahnt die Ärztegewerkschaft.

Rebekka HöhlVon Rebekka Höhl Veröffentlicht:
Lauter Protest: Rund 5000 Klinikärzte kamen am Mittwoch zum Warnstreik auf den Frankfurter Römerberg. M. Illian

Lauter Protest: Rund 5000 Klinikärzte kamen am Mittwoch zum Warnstreik auf den Frankfurter Römerberg. M. Illian

© M. Illian

FRANKFURT/MAIN. Mit Trillerpfeifen, Kuhglocken und Transparenten mit Aufschriften wie „Halbtot in weiß“, „Gesunder Arzt = Gesunder Patient“, oder „Kind + Karriere – für Ärzte nicht vorgesehen“ haben am Mittwoch auf dem Frankfurter Römerberg rund 5000 Klinikärzte ihren Unmut über die Tarifverhandlungen mit den kommunalen Arbeitgebern Luft gemacht. Unter ihnen waren auch viele Ärzte aus dem Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) sowie zahlreiche junge Ärzte.

Die Kundgebung war Teil eines eintägigen bundesweiten Warnstreiks, zu dem die Ärztegewerkschaft Marburger Bund (MB) im Tarifstreit mit den kommunalen Arbeitgeberverbänden (VKA) aufgerufen hatte. Nach drei Verhandlungsrunden hatte der MB bereits am 16. März die Tarifgespräche für die etwa 55.000 Ärzte an kommunalen Kliniken abgebrochen.

Dabei wird nicht vorrangig um ein Gehaltsplus gestritten. Der MB hatte zwar eine Anhebung der Gehälter um fünf Prozent gefordert. Es geht ihm aber vor allem um bessere Arbeitsbedingungen und den dauerhaften Erhalt des Ärztetarifvertrags trotz des Tarifeinheitsgesetzes.

„Wir lassen uns diesen arztspezifischen Tarifvertrag nie wieder nehmen – und wir können durchhalten“, sagte die Landesvorsitzende des MB Hessen, Dr. Susanne Johna. „Wir wollen nicht mehr, als uns das Bundesverfassungsgericht zugebilligt hat, aber das wollen wir“, ergänzte MB-Bundesvize Dr. Andreas Botzlar. Genauso wenig werde man hinnehmen, dass stückchenweise Ärzte aus dem Tarif herausgeschnitten würden, die Verhandlungen liefen ganz klar auch für die Ärzte im OGD der Kommunen.

Der Frust der Amtsärzte

Dass hier Handlungsbedarf besteht, machte die Vorsitzende des Bundesverbands der Ärzte im ÖGD, Dr. Ute Teichert, deutlich. Die Amtsärzte verdienten 1000 bis 1500 Euro weniger als ihre Kollegen in den Kliniken.

Eindrücke vom Ärztestreik auf dem Frankfurter Römerberg

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Veröffentlicht: 10.04.2019 © Springer Medizin

 „Wenn ein Facharzt aus der Klinik ins Gesundheitsamt wechseln will, wird er zurückgestuft auf das Nivea eines Berufsanfängers“, sagte sie. „Wir sind zuständig für die Gesundheit der Bevölkerung“ – konkurrenzfähig im Wettbewerb um ärztlichen Nachwuchs sei der ÖGD aber schon längst nicht mehr.

„In Thüringen gibt es das erste Gesundheitsamt ohne Ärzte“, mahnte sie. Ihr Verband und der MB forderten gemeinsam eine gleiche Bezahlung aller Ärzte in kommunalen Einrichtungen.

MB will langfristige Dienstplanung

Durchsetzen will der MB zudem eine manipulationsfreie, elektronische Zeiterfassung, eine langfristige Dienstplangestaltung und zwei freie Wochenenden pro Monat. Die dürften nicht nur von Samstagvormittag 10 Uhr bis Sonntagmitternacht gelten, sagte Henke. „Denn dann kann man Sie Sonntagmitternacht wieder in die Klinik bestellen – auf das Elend kannste abends nicht einmal einen trinken“, überspitzte er.

Für den MB fängt ein freies Wochenende spätestens Freitag um 18 Uhr an und endet frühestens am Montag um sieben Uhr. Und unbezahlte Überstunden oder Wochenenddienste en bloc kennen fast alle der rund 5000 Ärzte, die sich an diesem Mittwoch auf dem Römerberg zusammengefunden hatten, wie sie lautstark bekundeten.

Das frustriert die jungen Ärzte

Insbesondere die jungen Ärzte wünschen sich weniger Belastung und mehr Planbarkeit. „Wir wollen uns mehr um unsere Patienten kümmern können“, so Benjamin Breckwoldt vom Sprecherrat der Jungen Ärzte im MB. Dafür brauchten sie mehr Zeit.

Aber der Wirtschaftsbetrieb Krankenhaus, in dem nur Zahlen zählten, lasse das oft nicht zu. Breckwoldt prangerte auch die bisherige Praxis mit den Bereitschaftsdiensten an.

Der MB fordert etwa, dass Bereitschaftsdienste im Vierteljahr im Schnitt nur viermal monatlich und maximal sechsmal monatlich möglich sind. Und, dass sie von Beginn bis Ende des Dienstes als Arbeitszeit gewertet werden. „Wenn ich 24 Stunden in der Klinik bin, dann ist das gefälligst Arbeitszeit – ohne Wenn und Aber“, konstatierte Breckwoldt.

Der Mediziner sieht aber noch ein Problem: Im Bereitschaftsdienst gebe es für Weiterbildungsassistenten keine Zeit für Weiterbildung, „wir müssen nur funktionieren“.

Henke: Urabstimmung möglich

Wenn sich die Arbeitgeberseite bei den Arbeitsbedingungen und der Absicherung des Tarifvertrages nicht bewege, „rollt die Sache auf eine Urabstimmung“ hin, so Henke. „VKA, zieh Dich warm an, wir kommen“, lautete auch die Botschaft aus den MB-Landesverbänden.

Die VKA zeigt bislang dagegen wenig Verständnis für die Haltung der Ärztegewerkschaft. Man habe eine Entgelterhöhung von 5,4 Prozent angeboten sowie maßgebliche Verbesserungen der Arbeitsbedingungen. Der MB verbeiße sich allerdings an der Formulierung zur Tarifeinheit. VKA-Hauptgeschäftsführer Klaus-Dieter Klapproth wirft dem Marburger Bund rein machtstrategische Interessen vor. (Mitarbeit chb)

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