Mammut-Gesundheitsstudie

Epidemiologen nehmen 200.000 Deutsche ins Visier

Eine Gesundheitsstudie von dieser Größenordnung gab es noch nie: Von der Nationalen Kohorte versprechen sich Wissenschaftler neue Einsichten in die Entstehung von Volkskrankheiten.

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In der Studienambulanz für Volkskrankheiten der Universität Halle wird bei einem Studienteilnehmer eine Echokardiografie vorgenommen.

In der Studienambulanz für Volkskrankheiten der Universität Halle wird bei einem Studienteilnehmer eine Echokardiografie vorgenommen.

© ZB / dpa

ESSEN. Mit der Nationalen Kohorte wird Deutschland auf dem Gebiet der Epidemiologie einen großen Schritt nach vorne machen.

"Wir haben jetzt die einmalige Chance, in der internationalen Spitze mitzumarschieren", sagte Professor Otmar Wiestler bei der offiziellen Auftaktveranstaltung der großen Gesundheitsstudie am Montag in Essen.

Wiestler ist Vorstandsvorsitzender und wissenschaftlicher Vorstand des Deutschen Krebsforschungszentrums und designierter Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft.

Die groß und langfristig angelegte Untersuchung und Befragung von 200.000 Bürgerinnen und Bürgern im Alter von 20 bis 69 Jahren dient der systematischen Erforschung der großen Volkskrankheiten wie Krebs, Diabetes, Herzkreislauf-Erkrankungen und Demenz.

Natinoale Kohorte

18 Studienzentren sind bundesweit für die Gesundheitsstudie eingerichtet worden. Insgesamt beteiligen sich 25 Forschungseinrichtungen.

210 Millionen Euro fließen in den nächsten zehn Jahren in das Projekt. Davon kommen 105 Millionen Euro vom Bund, 70 Millionen Euro von der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren und 35 Millionen Euro von den 14 beteiligten Bundesländern.

400.000 Bürger werden nach dem Zufallsprinzip ausgewählt und von den Einwohnermeldeämtern angeschrieben. Die angestrebten 200.000 Teilnehmer nehmen an einer rund zweieinhalb Stunden dauernden Basiserhebung teil. Dazu gehört neben einer Befragung zur Person und den Lebensumständen auch die Erfassung medizinischer Parameter wie der Blutdruck, die Lungenfunktion oder eine Zahnzählung.

Bei 40.000 Probanden erstreckt sich die Untersuchung auf vier Stunden. Bei ihnen wird etwa mit einem Ultraschallgerät das Bauchfett gemessen, eine 3D-Echokardiographie erstellt und die persönliche Belastbarkeit getestet. Bei 30.000 wird zusätzlich eine Magnetresonanztomographie erstellt.

Ziel ist es, durch die Auswertung der erhobenen Daten Prävention, Früherkennung und Therapie der Erkrankungen zu verbessern.

Lackmustest für Kooperation

In Deutschland habe sich in den vergangenen Jahren eine Kultur der Zusammenarbeit aller wesentlicher Spieler in der Gesundheitsforschung entwickelt, betonte Wiestler. "Hier liegt unsere große Chance im internationalen Wettbewerb, und die Nationale Kohorte ist dafür ein wunderbares Beispiel."

Wiestler begrüßte, dass an der Studie nicht nur die unterschiedlichsten Forschungseinrichtungen und -organisationen beteiligt sind, sondern auch praktisch alle medizinischen Disziplinen. Nicht umsonst steht die Nationale Kohorte unter dem Motto: Gemeinsam forschen für eine gesündere Zukunft.

"Dieses Unterfangen hat weltweites Spitzenniveau", lobte die Bundesministerin für Bildung und Forschung Professor Johanna Wanka (CDU). Die Nationale Kohorte sei die größte Gesundheitsstudie, die es in Deutschland je gegeben hat, betonte sie.

Von der Erhebung der medizinischen, genetischen und psychosozialen Daten verspricht sich Wanka Erkenntnisse über die ausschlaggebenden Faktoren der großen Volkskrankheiten.

Wichtig sei es jetzt, 200.000 Menschen zu finden, die lange bei der Stange bleiben, sagte Wanka. Die Teilnehmer werden in den nächsten Jahren untersucht, dann soll ihr Gesundheitszustand über 20 bis 30 Jahre beobachtet werden.

Die Erforschung der Volkskrankheiten in ihrer ganzen Komplexität sei eine Mammut-Aufgabe, die ein Mammutprojekt erfordere, sagte die nordrhein-westfälische Wissenschaftsministerin Svenja Schulze (SPD).

Zusammenarbeit entscheidend

"Die sehr gute bisherige Zusammenarbeit aller Beteiligten ist neben dem wissenschaftlichen Arbeiten ein ganz entscheidender Faktor, um solch ein langfristiges Projekt auf die Schiene zu bringen."

Dem Projekt sei intensiv vorbereitet worden, es habe eine Reihe von Pretests "und gefühlt 100 Begutachtungen" gegeben, berichtete Professor Karl-Heinz Jöckel, der Vorstandsvorsitzende des Vereins Nationale Kohorte.

Bei der Studie gehe es nicht einfach darum, möglichst viele Daten zu sammeln. "Wir sind nicht Big Data", betonte er. Im Mittelpunkt stehe die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Studienteilnehmern, die der Forschung ihre Daten "treuhänderisch" überließen.

Für das Projekt ist ein umfassendes Datenschutzprojekt entwickelt worden. Das Projekt werde von einer großen Begeisterung aller Beteiligten getragen, berichtete Jöckel. "Das müssen wir jetzt in die Bevölkerung bringen." (iss)

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