Seniorentag

Im Alter weniger Lust auf Patientenbegleitung

Im Notfall einen Helfer an der Seite zu haben, erscheint den meisten Menschen sinnvoll. Doch vor allem Ältere hegen eine gewisse Skepsis.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Einen Begleiter, der im Notfall mit Rat und Tat zur Seite steht. Viele finden dieses Konzept sinnvoll.

Einen Begleiter, der im Notfall mit Rat und Tat zur Seite steht. Viele finden dieses Konzept sinnvoll.

© Robert Kneschke / Fotolia

DORTMUND. Die Mehrheit der Menschen kann sich vorstellen, bei einer Erkrankung eine Patientenbegleitung in Anspruch zu nehmen. Allerdings nimmt die Aufgeschlossenheit einem solchen Angebot gegenüber mit steigendem Alter ab.

Das berichtete Dr. Barbara Keck, Geschäftsführerin der BAGSO Service Gesellschaft, auf dem 12. Deutschen Seniorentag in Dortmund. "Bei denen, die eine Patientenbegleitung besonders brauchen, müssen wir noch viel tun, damit sie sie annehmen", sagte Keck.

Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen (BAGSO) hat eine Umfrage zum Thema Patientenbegleitung gemacht. Als einer der Partner der "Initiative Schlaganfallvorsorge – bei Vorhofflimmern handeln" wollte die BAGSO das Wissen und die Bedürfnisse der Menschen rund um das Thema erfassen, um auf dieser Basis noch gezielter Konzepte und Angebote entwickeln zu können.

60 Prozent pro Patientenbegleitung

Nach der Fragebogen-Erhebung sehen rund 60 Prozent der Teilnehmer die Patientenbegleitung als eine realistische Option, sagte Keck. Für sinnvoll halten sie die Begleitung vor allem bei Krankenhausaufenthalten oder in der Zeit danach sowie bei chronischen Erkrankungen.

Bei akuten Erkrankungen sehen die Menschen weniger Bedarf und noch weniger bei der Prävention. Als einen möglichen Grund für die Zurückhaltung gerade der sehr alten Menschen sieht Keck die Tatsache, dass sie zu einer Generation gehören, die gewohnt ist, immer alles selbst zu regeln.

Vor einer Patientenbegleitung muss viel Vertrauensarbeit geleistet werden, berichtete Professor Elisabeth Bubolz-Lutz, Direktorin des Forschungsinstituts Geragogik an der Universität Duisburg-Essen. Geragogik ist die wissenschaftliche Disziplin, die sich mit Altern und Lernen befasst.

Eine Vertrauensbeziehung sei in der Krankheitssituation wichtig, gerade im Alter. "Man hat Angst, mit jemandem Fremdes etwas Neues anzufangen, der eventuell zusätzliche Anforderungen an einen stellt", sagte Bubolz-Lutz, die Mitglied im Netzwerk Patientenbegleitung Nordrhein-Westfalen ist.

Das Netzwerk hat Qualifizierungen für Patientenbegleiter entwickelt, die dann vor Ort wieder weitere ehrenamtliche Interessenten schulen sollen.

Beim Einsatz der Begleiter hätten sich Ärzte und Kliniken zum Teil als Stolpersteine erwiesen, sagte sie. "Sie haben das Konzept nicht verstanden und haben Schwierigkeiten, auf Augenhöhe mit Ehrenamtlichen zu kommunizieren."

Ärzte nicht immer begeistert

An manchen Stellen seien Ärzte schlicht überfordert, betonte der Neurologe Professor Heinrich Audebert vom Centrum für Schlaganfallforschung an der Charité in Berlin.

Die Ärzte müssten die Patienten und ihre Rechte im Auge behalten, die Angehörigen einbeziehen – und dann sollen sie noch auf "Helikopter-Begleiter" mit großem Engagement eingehen, warb er für Verständnis.

Für Audebert besteht aber kein Zweifel, dass eine Begleitung von Erkrankten durch die verschiedenen Stufen der Versorgung sinnvoll sein kann, gerade an den Sektorengrenzen.

"Wir haben in Deutschland eine hervorragende Akutversorgung, aber wir müssen der Tatsache Rechnung tragen, dass danach weiterer Handlungsbedarf besteht."

Bei Patienten nach einem Schlaganfall sei beispielsweise nach Behandlung und Reha die Rückkehr in den Alltag schwierig.

Wichtig ist für den Arzt, dass die Unterstützungs-Angebote wissenschaftlich evaluiert werden. "Man muss sehen, ob es tatsächlich Effekte gibt, ob sich die Lebensqualität bei bestimmten Erkrankungen verbessert", sagte er.

In einem Projekt, das mit Mitteln aus dem Innovationsfonds gefördert wird, erprobt die Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe den Einsatz von Lotsen in sieben Stroke Units. "Die Lotsen sollen Patienten ein Jahr lang nach ihrem Schlaganfall begleiten", erläuterte Dr. Bettina Begerow von der Stiftung.

"Wir versuchen, ein neues Element in die Schlaganfall-Versorgung einzubringen." Diese Art des Case-Management könne später auch für andere Krankheitsbilder zur Verfügung stehen, sagte Begerow.

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