Projekt „InterKultKom“

Mit interkulturellem Arbeiten die Versorgung verbessern

Ob Patienten aus anderen Ländern oder Mitarbeiter mit Migrationshintergrund: In Kliniken treffen zunehmend viele Kulturen aufeinander. Nicht selten führt das zu Problemen. „InterKultKom“ soll das ändern – mit transkultureller Kompetenz und kultursensible Kommunikation.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
In Kliniken arbeiten zunehmend Mitarbeiter unterschiedlicher Kulturen zusammen.

In Kliniken arbeiten zunehmend Mitarbeiter unterschiedlicher Kulturen zusammen.

© inti ST. Claire / Stock.adobe.com

Für viele Krankenhäuser gehört es zum Alltag, dass Menschen aus unterschiedlichen Kulturkreisen aufeinandertreffen und daraus Probleme entstehen. Die Kliniken haben es nicht nur mit Patienten aus einer Vielzahl von Ländern zu tun, sondern sie haben auch eine wachsende Zahl von Mitarbeitern mit Migrationshintergrund. „Die kultursensible Arbeit ist für uns eine große Herausforderung“, betonte der Präsident der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen (KGNW) Jochen Brink auf der Abschlussveranstaltung des Modellprojekts „InterKultKom“ in Düsseldorf.

Brink sieht es als eine Aufgabe der Klinikleitungen, für ein Problembewusstsein zu sorgen und die Mitarbeiter zu sensibilisieren. „Der Geist eines Hauses wird meist durch die Geschäftsführung geprägt.“

Ein besonderer „Hotspot“ sind für ihn die Notaufnahmen. Unter den ohnehin schon belastenden Bedingungen müssen Ärzte und Pflegekräfte Patienten verschiedener Herkunft einfühlsam versorgen. Hinzu komme, dass deutsche Patienten dort auf Mitarbeiter unterschiedlichster Herkunft treffen. „Wir haben dasselbe Thema mit vertauschten Rollen“, sagte Brink.

Berufsübergreifendes Fortbildungskonzept

Die KGNW hat sich an dem Projekt „InterKultKom“ beteiligt, das von der Robert-Bosch-Stiftung gefördert wurde (wir berichteten). Im Mittelpunkt stand die Entwicklung eines berufsgruppenübergreifenden Fortbildungskonzepts zur Stärkung der transkulturellen Kompetenz und der kultursensiblen Kommunikation in der Gesundheitsversorgung. Weitere Teilnehmer waren die Ärzte- und die Zahnärztekammer Nordrhein, die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein, der Pflegerat NRW und der Verband medizinischer Fachberufe. Die Umsetzung lag in der Hand des Instituts für Qualität im Gesundheitswesen Nordrhein (IQN), die Evaluation hat die Universität Witten/Herdecke übernommen.

In einem ersten Schritt hat ein Fachgremium, in dem verschiedene Berufsgruppen und Kulturen vertreten waren, Schulungsmodule zu fünf Themen entwickelt: Haltung, Kommunikation, Krankheitsverarbeitung, Gender und Familie sowie zum Umgang mit Gewalt, Tod, Abschied und Trauer. Erprobt wurden sie dann von Vertretern verschiedener Berufsgruppen aus der Städteregion Aachen: niedergelassene, Zahn- und Klinikärzte, Pflegende aus dem ambulanten und stationären Bereich sowie medizinische und zahnmedizinischen Fachangestellte.

Bei den Fortbildungen sei es nicht nur um die Förderung von Kultursensibilität, interkultureller Öffnung und transkultureller Kompetenz gegangen, erläuterte IQN-Leiterin Dr. Martina Levartz. „Wir wollten auch die Einsicht in die Sicht-, Denk- und Handlungsweisen der jeweils anderen Berufsgruppen erreichen.“

Das kam bei den Teilnehmern offenbar gut an. „Das interprofessionelle Setting wurde als Bereicherung empfunden“, berichtete sie. Das bestätigte auch Hausarzt Andreas Scheid aus Aachen. „Wir hatten eine Art Integrationsprojekt in unserem Gesundheitssystem.“

Sowohl beim Umgang mit Patienten aus anderen Kulturen als auch mit anderen Berufsgruppen hält Scheid zwei Dinge für besonders wichtig: miteinander sprechen und zuhören. Er empfahl seinen Kollegen Offenheit im Umgang mit anderen Kulturen und die Bereitschaft, sich in diesem Bereich fortzubilden und mehr Wissen zu erlangen.

Familienmitglieder früh einbeziehen

Die Fortbildung habe den Teilnehmern zusätzliche Kompetenzen für den Versorgungsalltag vermittelt, lobte Lena Dizim, Case-Managerin im Rhein-Maas-Klinikum. Sie berichtete von einem positiven Einfluss der kultursensiblen Herangehensweise auf das Entlassmanagement. Als Beispiel nannte sie das Abklären der häuslichen Versorgung bei muslimischen Patienten.

„Häufig missverstehen sie Fragen nach dem Pflegegrad oder Pflegediensten als Vorwurf, dass die Familien nicht in der Lage seien, sich um ihre Angehörigen zu kümmern“, berichtete Dizim. Hier könne die frühe Einbeziehung der Familienmitglieder helfen. „Man kann gemeinsam mit den Angehörigen einen Pflegeplan aufstellen, statt den Patienten unsere Idealvorstellung von häuslicher Pflege aufzudrängen.“

Interkulturelles Arbeiten verbessert die Qualität der Versorgung, ist der Präsident der Ärztekammer Nordrhein Rudolf Henke überzeugt. Dabei gehe es nicht nur um sprachliches Verständnis, sondern auch um das Verstehen der unterschiedlichen Bedürfnisse.

„Die Menschen möchten vor dem Hintergrund ihrer Biografien verstanden werden“, sagte Henke. Die an „InterKultKom“ beteiligten Organisationen wollen für den kultursensiblen Ansatz und die Fortbildungen werben. Interesse besteht bereits. „Wir haben schon zahlreiche Anfragen von Krankenhäusern und Pflegeschulen bekommen“, berichtete Projektleiterin Levartz.

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