HINTERGRUND

Hausärzte trauen sich mit dem EBM 2008 mehr als zuvor an die Chronikerziffer ran

Julia FrischVon Julia Frisch Veröffentlicht:

Wie wirkt sich der EBM 2008 bei den Abrechnungen der niedergelassenen Ärzte aus? Dazu gibt es jetzt zur Mitte des Jahres erste Trends zu vermelden. Die ersten Frühinformationen, die für eine Begleitstudie aus den KVen Nordrhein und Brandenburg geliefert wurden, zeigen, dass in den 14 stärksten Arztgruppen im ersten Quartal 2008 mehr Punkte als im ersten Quartal 2007 abgerechnet wurden.

Genauer: Bei 106 allgemeinärztlichen Praxen ergaben die Stichproben, dass 97,2 Prozent von ihnen mehr Punkte als ein Jahr zuvor abgerechnet hatten. Der Gesamtleistungsbedarf je Praxis stieg um 19,2 Prozent, je Fall betrug die Steigerung 16,3 Prozent. Ähnlich bei den hausärztlichen Internisten: 94,5 Prozent von 55 Praxen hatten eine Leistungsbedarfszunahme. Pro Praxis stieg die Punktzahl um 14,2 Prozent, je Fall um 14,1 Prozent.

Die Ergebnisse sind per se nicht überraschend. Denn Fakt ist, dass zum Jahresanfang die Leistungsbewertungen im EBM 2008 angehoben wurden: einerseits, um der gestiegenen Mehrwertsteuer Rechnung zu tragen; andererseits, weil auch der kalkulatorische Arztlohn eine Aufbesserung erfahren hatte. Im Schnitt wurden die Punktzahlen dadurch um etwa zehn Prozent erhöht. Ein Teil des jetzt absehbaren gestiegenen Leistungsbedarfs ist also zwangsläufige Folge des neuen EBM.

Hausärzte nutzen den Morbiditätszuschlag

Bei Allgemeinärzten und hausärztlichen Internisten lassen die ersten Trends aber offenbar auch erkennen, dass der Morbiditätszuschlag (Nr. 03212) im ersten Quartal 2008 häufiger abgerechnet wurde als der Chronikerkomplex (alte Nr. 03210 - Behandlung und Betreuung eines Patienten mit einer chronisch-internistischen Grunderkrankung) im ersten Quartal 2007.

In wieviel Prozent der Fälle Ärzte den Morbi-Zuschlag ansetzten, darüber geben die Frühinformationen keine verlässlichen Daten her. In Rheinland-Pfalz aber, so ist aus informierten Kreisen zu hören, soll der Morbi-Zuschlag in 48 Prozent der Fälle berechnet worden sein. Das würde in etwa eine Prognose der KBV bestätigen, die mit einem Anteil von 40 Prozent kalkuliert.

Dass Praxischefs seit diesem Jahr mehr auf die Morbi-Ziffer zugreifen, ist sicher nicht darauf zurückzuführen, dass mehr Patienten zu Chronikern gestempelt werden. Die Erklärung dürfte darin liegen, dass früher Ärzte unsicher waren, wann eine chronisch-internistische Grunderkrankung vorliegt, und deshalb bei der Berechnung der Chronikerziffer Zurückhaltung übten.

Dagegen sind die Vorgaben, die die Chroniker-Richtlinie jetzt für den Morbi-Zuschlag gibt, wesentlich klarer. Die häufigsten und leistungsbedarfsstärksten Ziffern, die Allgemeinärzte und hausärztliche Internisten im ersten Quartal abrechneten, waren:

  • 03111 Versichertenpauschale 6. bis 59. Lebensjahr (900 Punkte)
  • 03112 Versichertenpauschale ab 60. Lebensjahr (1020 Punkte)
  • 03212 Morbiditätszuschlag (495 Punkte)
  • 01732 Gesundheitsuntersuchung (695 Punkte)

Zum Vergleich: Im ersten Quartal 2007 gehörten die EBM-Nummern 03005 (versorgungsbereichsspezifische Bereitschaft, 320 Punkte), 03210 (Chronikerziffer, 455 Punkte), 03000 (hausärztliche Grundvergütung, 90 Punkte), 03120 (Beratung, Erörterung, 120 Punkte), 03115 (Konsultationskomplex, 35 Punkte) beziehungsweise 03112 (Ordinationskomplex ab 60. Lebensjahr, 225 Punkte) zu den häufigsten Nummern.

900 Praxen lieferten Daten zu der Studie

In der KV Nordrhein kam noch die Gebührenziffer 90066 dazu, die zwar in der Pauschale aufgegangen ist, in der Studie dennoch berücksichtigt wurde. Damit wäre der Leistungsbedarf je Praxis bei Allgemeinärzten um 22,8, bei hausärztlichen Internisten um 16,8 Prozent gestiegen.

Mit der EBM-Begleitstudie sind das Institut des Bewertungsausschusses, das Wissenschaftliche Institut der AOK sowie das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland beauftragt. Die Ergebnisse der Frühinformationen beruhen auf noch ungeprüften und ungeregelten ZI-ADT-Paneldaten von etwa 900 Arztpraxen in Nordrhein und Brandenburg. Berücksichtigt wurden die 14 häufigsten Arztgruppen, die rund 93 Prozent des Leistungsvolumens aller Arztgruppen präsentieren.

Wieder mehr Einzelleistungen?

Die KBV diskutiert über den Zuschnitt der Pauschalen. Entsprechende Gerüchte bestätigte der Vorsitzende der KV Brandenburg, Dr. Hans-Joachim Helming, auf der Vertreterversammlung. "Die KBV denkt darüber nach, bestimmte Bereiche wieder einzeln abrechnungsfähig zu machen", sagte Helming. Hintergrund sind die Beschwerden von einzelnen Hausarztgruppen mit speziellem Leistungsangebot. "Die angeblich sehr homogene Gruppe der Hausärzte ist die inhomogenste Arztgruppe überhaupt. Das spiegelt die jetzige Diskussion wider", so Helming.

Die Pauschalen seien deshalb nicht von allen hausärztlichen Kollegen gewünscht. Eine gewisse Pauschalierung ärztlicher Leistungen ist jedoch auch gesetzlich vorgesehen. Wenn einzelne Leistungen wieder gesondert berechenbar werden sollten, hätte das für die Hausärzte zur Konsequenz, dass sich dadurch die Bewertung der Pauschalen verringern würde. Zum anderen würde die Zahl der Abrechnungsziffern wieder steigen. (ami)

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