Ärzte bleiben trotz des neuen Euro-EBM im Blindflug

Seit Ende August steht es fest: Der Orientierungswert beträgt 3,5001 Cent, und er gilt für - fast - alle ärztlichen Leistungen. Punktzahl multipliziert mit diesem Wert, ergibt den festen Euro-Betrag, den Praxischefs erhalten.

Von Antonia von Alten Veröffentlicht:
Ohne Navigationshilfen geht’s für Ärzte beim Flug durch die neue Honorarwelt auch 2009 nicht. Der fixe Orientierungswert kann als Kompass dienen.

Ohne Navigationshilfen geht’s für Ärzte beim Flug durch die neue Honorarwelt auch 2009 nicht. Der fixe Orientierungswert kann als Kompass dienen.

© Foto: titeliowww.fotolia.de

Endlich ist Schluss mit floatenden Punktwerten. Ein unveränderlicher fixer Wert scheint gefunden, an Hand dessen jeder niedergelassene Arzt sofort weiß, wie viel die Leistung wert ist, die er gerade erbringt. Bundesweit einheitlich für alle Kassenarten und Fachgruppen. Mit diesem so genannten Orientierungswert werden von 2009 an alle ärztlichen Leistungen vergütet. Daher wählt der hessische KV-Vize Dr. Gerd Zimmermann bei seinen Präsentationen vor Ärzten als Kernaussage Nummer Eins des neuen Vergütungssystems den Satz: "Der Punktwert beträgt für alle Leistungen 3,5001 Cent."

Für einige Leistungen wird der Punktwert angehoben

Zwar werden tatsächlich alle Leistungen mit diesem Wert vergütet, einige sind jedoch noch einmal hervorgehoben und als besonders förderungswürdig eingestuft worden. Sie wurden schon im Sommer vom Erweiterten Bewertungsausschuss bundesweit mit einem Anhebefaktor versehen. So gibt es beispielsweise für Schmerztherapie, Akupunktur, Polysomnographie, MRT-Angiographie und für psychotherapeutische Leistungen mehr Punkte als bisher. In den einzelnen KVen wurden in den letzten Wochen bei den Honorarverhandlungen teilweise noch zusätzliche regionale Aufschläge durchgesetzt.

Knackpunkt in vielen Verhandlungen auf Länderebene war das Thema ambulantes Operieren. In Nordrhein einigten sich KV und Kassen beispielsweise auf Zuschläge zwischen 0,4 Cent und 0,75 Cent auf die schon vorher mit einem Anhebefaktor versehenen Orientierungswerte für diese Leistungen. In Rheinland Pfalz dagegen waren die Kassen nicht bereit, Zuschläge beim ambulanten Operieren zu bezahlen, auch in Westfalen Lippe bleibt es beim bundesweiten Orientierungswert ohne Anhebungsfaktoren.

Grundsätzlich soll in ganz Deutschland der gleiche Orientierungswert gelten, der künftig alljährlich im August vom Bewertungsausschuss neu festgelegt wird. Damit sollen gleiche Leistungen unabhängig vom Ort der Leistungserbringung gleich vergütet werden. Tatsächlich bestehen die Unterschiede jedoch bei den "besonders förderungswürdigen" Leistungen weiter, die regional mit unterschiedlich hohen Punktwerten honoriert werden.

Nach dem Gesetz wäre es möglich gewesen, dass die Kassenärztlichen Vereinigungen bei ihren Vereinbarungen mit den Landesverbänden der Krankenkassen vom einheitlichen Orientierungswert abweichen. So kann grundsätzlich ein Zu- oder Abschlag vereinbart werden, um landesbezogenen Besonderheiten Rechnung zu tragen.

Der Gesetzgeber wollte damit die Möglichkeit eröffnen, dass unterschiedliche Kosten für Löhne und Mieten von Bundesland zu Bundesland ausgeglichen werden. Tatsächlich ist es jedoch nicht dazu gekommen. Überall blieb es bei dem ursprünglich ausgehandelten Wert von 3,5001 Cent.

Für manche KVen waren 3,5001 Cent eine bittere Pille

Und das, obwohl dieser einheitliche Orientierungswert besonders für die KVen im Westen und Süden eine bittere Pille ist. So liegen die bisherigen Punktwerte beispielsweise in Nordrhein bei 3,8, in Baden-Württemberg bei vier Cent.

Nicht einverstanden mit der Höhe des Orientierungswertes sind die Krankenkassen. In Bayern hatten sie bei den jüngsten Honorarverhandlungen gefordert, den Wert um 15 Prozent zu senken. Begründung: Das Honorarniveau der bayerischen Praxischefs lag schon bisher 15 Prozent über dem Bundesdurchschnitt. Die KV verwies dagegen auf die höheren Betriebskosten der bayerischen Praxen. Auch in Niedersachsen argumentierten die Kassen damit, dass sie das ausgehandelte Honorarvolumen nicht bezahlen könnten und forderten eine Reduzierung des Orientierungswertes um neun Prozent. Weder die bayerischen noch die niedersächsischen Kassenvertreter konnten sich jedoch durchsetzen.

Schon im Sommer, als der erweiterte Bewertungsausschuss gegen die Stimmen der Krankenkassen den Orientierungswert festgelegt hat, hat sich der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen bitterböse geäußert: Die "Honorarerhöhung" für die Vertragsärzte sei "überzogen", so der Verband in einer Mitteilung. Die Rechnung müssten letztlich die 70 Millionen Versicherten und Beitragszahler bezahlen.

Lesen Sie dazu auch: Orientierungspunkte für den Sagen-umwobenen Orientierungswert

Mehr zum Thema

„Linke Tasche, rechte Tasche“

Labore kritisieren Honorarbeschluss als unfair

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Weniger Rezidive

Hustenstiller lindert Agitation bei Alzheimer

Lesetipps
Ulrike Elsner

© Rolf Schulten

Interview

vdek-Chefin Elsner: „Es werden munter weiter Lasten auf die GKV verlagert!“

KBV-Chef Dr. Andreas Gassen forderte am Mittwoch beim Gesundheitskongress des Westens unter anderem, die dringend notwendige Entbudgetierung der niedergelassenen Haus- und Fachärzte müsse von einer „intelligenten“ Gebührenordnung flankiert werden.

© WISO/Schmidt-Dominé

Gesundheitskongress des Westens

KBV-Chef Gassen fordert: Vergütungsreform muss die Patienten einbeziehen