Interview

"Bei der GOÄ ziehen wir politisch an einem Strang"

Die Zahnärzte haben sie schon: eine neue Gebührenordnung. Nun sind die Ärzte an der Reihe - Ausgang ungewiss. Welche Vorstellungen die Bundesärztekammer hat, verrät die stellvertretende Hauptgeschäftsführerin Dr. Regina Klakow-Franck im Interview.

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Welcher Steigerungssatz ist angemessen? Das kann bisher individuell vom Arzt festgelegt werden.

Welcher Steigerungssatz ist angemessen? Das kann bisher individuell vom Arzt festgelegt werden.

© Stephan Thomaier

Ärzte Zeitung: Frau Dr. Klakow-Franck, seit vielen Jahren steht das Thema Novelle der GOÄ auf der Agenda. Ist das noch eine spannende Aufgabe für Sie - oder ein Schrecken ohne Ende?

Dr. Regina Klakow-Franck

Aktuelle Position: Seit 1. Mai 2005 ist die Ärztin stellvertretende Hauptgeschäftsführerin der Bundesärztekammer. Seit 1. März 2008 ist sie zusätzlich Dezernentin der Abteilung 4 und damit zuständig für die Gebührenordnung für Ärzte.

Werdegang / Ausbildung: Nach dem Medizinstudium hat sich Klakow-Franck zur Fachärztin für Gynäkologie weitergebildet. Seit April 2004 ist sie Dezernentin der Abteilung 3 ("Qualitätssicherung in der Medizin" und andere Gebiete).

Dr. Regina Klakow-Franck: (lacht) Nein, die GOÄ-Novelle ist kein Schrecken für mich, und ich habe auch noch kein Sisyphos-Syndrom entwickelt. Die Ärzteschaft hat jetzt die Chance, die GOÄ vernünftig zu reformieren.

Das sind wir den Ärzten, aber auch den Patienten schuldig. Natürlich wird nicht alles 100-prozentig so umzusetzen sein, wie wir uns das vorstellen. Aber sobald die GOZ (die Gebührenordnung für Zahnärzte, Anm. d. Red.) in Kraft ist, wird damit auch der Startschuss für die Beratungen im Bundesgesundheitsministerium fallen müssen.

Ärzte Zeitung: Die Einigkeit der Ärzte scheint nach dem Brandbrief der Internisten und einem klärenden Gespräch wieder hergestellt. Wie sehen Sie die Initiative der Berufsverbände im Nachhinein?

Klakow-Franck: Politisch ziehen wir an einem Strang. Über einzelne Details wird es immer wieder unterschiedliche Auffassungen geben, das lässt sich gar nicht vermeiden - und das ist auch kein Problem. Allerdings hätte ich mir gewünscht, dass die ein oder andere Formulierung eines Berufsverbandes etwas differenzierter ausgefallen wäre. Aber das liegt hinter uns, wir schauen jetzt nach vorne.

Ärzte Zeitung: Wie begründet war die Befürchtung des BDI, dass die GOÄ zu einem abgewandelten EBM werden könnte?

Klakow-Franck: Es ging ja vor allem um zwei Elemente, um den Gebührenrahmen, also die unterschiedlichen Steigerungssätze für ärztliche Leistungen, und darum, ob die Analogbewertungen abgeschafft werden. Ich weiß nicht, woher die Irritation kam, denn beides steht für uns nicht zur Diskussion: Wir brauchen den Gebührenrahmen als Ermessensspielraum.

Eine sehr aufwändige Behandlung muss zu einem höheren Preis in Rechnung gestellt werden können, als eine weniger aufwändige. Eine freiberufliche Gebührenordnung wie die GOÄ ist ohne einen Ermessensspielraum für den individuellen Behandlungsvertrag nicht denkbar.

Und ohne Analogziffern bekommen Sie keine innovativen Leistungen mehr in die privatärztliche Versorgung, es sei denn, es gäbe eine regelmäßige automatische Anpassung der GOÄ - die haben wir bislang aber nicht.

Ärzte Zeitung: Wie wäre denn eine regelmäßige Aktualisierung der GOÄ vorstellbar?

Klakow-Franck: Die GOÄ muss eine Rechtsverordnung bleiben. Aber wir könnten uns ein Gremium der Selbstverwaltung mit Vertretern der Beihilfe, der privaten Krankenversicherungen und der Bundesärztekammer unter Beteiligung des BMG vorstellen, etwa wie seinerzeit der Zentrale Konsultationsausschuss für Gebührenordnungsfragen.

Das neue Gremium, das man als privatärztlichen Bewertungsausschuss bezeichnen könnte, hätte die Aufgabe, im Jahresrhythmus Aktualisierungsvorschläge für die GOÄ zu erarbeiten. Dort könnten also innovative Leistungen verhandelt werden, aber auch notwendige Anpassungen auf der Kostenseite.

Eine Schiedsstelle müsste dafür sorgen, dass die Entscheidungen in kurzer Frist getroffen werden. Die Beschlüsse würden dann dem BMG vorgelegt, das dann das Gebührenverzeichnis der GOÄ entsprechend anzupassen hätte. Ärzte Zeitung: Von Seiten der PKV wird offenbar ein anderes Modell favorisiert... Klakow-Franck: Vorschläge, stattdessen ein Institut - ähnlich wie das Institut des Bewertungsausschusses in der GKV - einzurichten, halten wir nicht für gut: Wir sehen die "Institutokratie" im Gesundheitswesen insgesamt kritisch.

Bis das Institut errichtet und arbeitsfähig ist, zieht außerdem viel Zeit ins Land, und die Chance auf die Novellierung der GOÄ ist vertan. Außerdem kostet so ein Institut auch Geld - das letztlich aus den Honoraren der Ärzte bezahlt werden müsste.

Ärzte Zeitung: Wie sind die Berufsverbände und Fachgesellschaften in den Prozess der Entwicklung der neuen GOÄ eingebunden?

Klakow-Franck: Wir haben einen Bottom-up-Ansatz gewählt. Das heißt, die Berufsverbände waren von Anfang an intensiv eingebunden in die Erstellung eines neuen Leistungskataloges. Es gab viele Feedback-Schleifen, immer wieder konnten auch neue Leistungen nachgereicht werden.

Natürlich sind wir am Ende des Prozesses nicht mit jedem Detail deckungsgleich mit allen Verbänden, wir müssen ja auch einen Interessenausgleich zwischen den Verbänden vornehmen, so weit es geht. Am Ende des Abstimmungsprozesses steht eine vom Vorstand der Bundesärztekammer beschlossene Beratungsgrundlage. Die sollte innerärztlich dann nicht mehr zur Diskussion stehen müssen.

Ärzte Zeitung: Wie weit sind Sie mit der Bewertung des neu erarbeiteten Leistungskataloges?

Klakow-Franck: Anfang des kommenden Jahres werden wir einen weiterentwickelten Bewertungsvorschlag als Grundlage für die Beratungen fertig haben. Grundlage ist die betriebswirtschaftliche Bewertung jeder einzelnen Leistung.

Die einzelnen Kostenfaktoren wie der kalkulatorische Arztlohn, der Personalbedarf, die Kosten für die technische Ausstattung etc. ergeben den Preis für eine Leistung, mit dem wir dann in die Verhandlungen gehen.

Ärzte Zeitung: Wie haben Sie diese Daten ermittelt?

Klakow-Franck: Bei den Operationen greifen wir auf eine eigene umfangreiche Erhebung zurück, bei den konservativen Leistungen stützen wir uns auf verschiedene Datenquellen und konsentierte Expertenmeinungen.

Insgesamt haben wir zusammen mit einem erfahrenen Projektpartner spezifisch für die GOÄ Kostenstrukturanalysen gefahren und neue Funktionskostenstellen entwickelt.

Ärzte Zeitung: Welche Erwartungen haben Sie zum Punktwert nach der Novellierung der GOÄ? Die Zahnärzte sind ja schwer enttäuscht, dass es für sie auch nach 20 Jahren nicht einmal einen Inflationsausgleich gibt.

Klakow-Franck: Ich kann tatsächlich nur schwer nachvollziehen, warum es in der GOZ, die strukturkonservativ novelliert worden ist, nicht wenigstens eine kleine Punktwertanhebung gibt. Das hätte bei den Zahnärzten Vertrauen geschaffen.

Jetzt ist von außen überhaupt nicht erkennbar, ob eine Anpassung an die Kostenentwicklung überhaupt stattgefunden hat. Bei der GOÄ sieht es etwas anders aus, da wir ja mit einem neuen betriebswirtschaftlichen Kalkulationsmodell in die Verhandlungen gehen.

Es geht um völlig neue, sogenannte "robuste" Einfachsätze, ausgedrückt in Euro - ob diese am Ende in Punktzahlen und Punktwerte umgewandelt werden, ist eher eine technische Frage.

Ärzte Zeitung: Die PKV hat im vergangenen Jahr vorgeschlagen, bei technischen Leistungen keinen Steigerungssatz zuzulassen, bei ärztlichen Leistungen aber schon. Was halten Sie von dem Modell?

Klakow-Franck: Wenn das Honorar aufgesplittet wird, kann man am Ende leichter einen Teil des Honorars wegnehmen. Das wollen wir nicht. Unsere Berechnungen basieren auf Vollkosten-Kalkulationen. Wir gehen mit einem Gesamtpreis je Leistung in die Verhandlungen.

Ärzte Zeitung: Bei manchen Ärzten geht die Sorge um, dass die Neuberechnungen im Laborkapitel zu hohen Einkommensverlusten führen werden. Ist diese Sorge berechtigt?

Klakow-Franck: Man muss sich die finanziellen Auswirkungen einer neuen GOÄ immer über das gesamte Leistungsspektrum der Arztgruppe anschauen. Punkt-zu-Punkt-Vergleiche nach dem Motto "Früher habe ich für Leistung x soundso viel bekommen und heute nur noch soviel" greifen zu kurz.

Ärzte Zeitung: Viele Ärzte ärgern sich über komplexe Ausschlussbestimmungen und schwer interpretierbare Legendentexte. Steht eine Vereinfachung der GOÄ auch auf Ihrer Agenda?

Klakow-Franck: Wir werden zwar rund 800 Leistungen mehr in der neuen GOÄ haben als bisher. Aber pro Fall sollen am Ende weniger Ziffern auf der Abrechnung stehen, das ist ganz klar unser Ziel. Deshalb haben wir dort, wo es sich anbot, Teilleistungen, die zwingend zusammengehören, in einer komplexen Ziffer gebündelt.

Ärzte Zeitung: Der Einigungsdruck für PKV und für die Ärzte ist hoch, denn niemand weiß, wer die Bundesregierung in der nächsten Legislaturperiode stellen wird. Können sich die Ärzte Anfang 2013 auf eine neue GOÄ freuen?

Klakow-Franck: Das hängt am wenigsten von der Bundesärztekammer ab. In Zusammenarbeit mit den Berufsverbänden und Fachgesellschaften hat die Bundesärztekammer ihre Hausaufgaben gemacht. Wenn sich die verschiedenen Beteiligten im Vorfeld einigen können und die Vorarbeiten der Bundesärztekammer als Ausgangsbasis nehmen, dann könnte man es vor der Bundestagswahl schaffen.

Die Fragen stellte Hauke Gerlof.

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