Zukunftsbranche Gesundheit

Gemischtwarenladen in der Krankenversicherung

Die Reformgesetze verwischen die klare Grenzziehung zwischen Gesetzlicher und Privater Krankenversicherung. Ordnungspolitisch ist das eine Revolution.

Von Uwe K. Preusker Veröffentlicht:

Geklagt hatte die private Krankenversicherung schon lange darüber: Immer, wenn die Kostenentwicklung der PKV zur Sprache kam, verwies sie auf die ihr fehlenden Verhandlungs- und Kostenbegrenzungsinstrumente, die der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zur Verfügung standen. Das soll sich ändern: Mit der jüngsten, erst in kleinen Teilen verabschiedeten Gesundheitsreform soll die PKV zumindest in Teilbereichen ähnlich oder gar gleich behandelt werden wie die GKV.

Dr. Uwe K. Preusker

Der Publizist ist seit über drei Jahrzehnten im Gesundheitswesen aktiv. Er gilt al einer der versiertesten Kenner der Gesundheitsbranche.

Denn die PKV-Unternehmen sollen sowohl vom von 6 auf 16 Prozent erhöhten Zwangsrabatt der pharmazeutischen Unternehmen profitieren wie auch von den zukünftig zwischen der Pharmaindustrie und dem GKV-Spitzenverband ausgehandelten Preisen für innovative Arzneimittel.

Nun könnte man sagen, damit würde doch nur der PKV-Versicherte vor ständig steigenden Prämien geschützt. Doch so einfach ist es nicht: Die neue Welt der Krankenversicherung sieht in Deutschland nach diesen Änderungen grundlegend anders aus, denn zukünftig gelten plötzlich einheitliche Preise für gesetzliche wie private Krankenversicherte - und zwar durch staatlichen Eingriff. Das ist ordnungspolitisch eine Revolution: Privatwirtschaftliche Unternehmen wie die privaten Krankenversicherer profitieren plötzlich von staatlichen Regulierungen, deren zentrale Begründung bisher die Erhaltung der Finanzierbarkeit der GKV - also der nationalen Pflichtversicherung - war.

Wird diese staatliche Preisfestsetzung in Form von Zwangsrabatten und der Pflicht zu Preisverhandlungen nun auf private Krankenkassen übertragen, bedeutet dies nichts anderes, als dass der Staat plötzlich auch für diese Unternehmen eine Art Fürsorgepflicht übernimmt.Absehbar ist, dass dies nicht der einzige Schritt bleiben wird, mit dem die PKV-Unternehmen vergleichbar behandelt werden wie die GKV.

Der nächste Schritt könnte die Ermöglichung von selektiven Verträgen zwischen PKV-Unternehmen und Ärzten oder Zahnärzten sein - im Zuge der GOZ- und GOÄ-Reform fordert die PKV dies schon lange.

Was ist die Folge dieser Entwicklung? Zunächst entsteht ein ordnungspolitischer Gemischtwarenladen: Staatliche Preiseingriffe oder auch Preisregulierungen zugunsten von Privatunternehmen sind in unserem Wirtschaftssystem nicht vorgesehen und mit der liberalen Wirtschaftsordnung Deutschlands eigentlich nicht vereinbar.

Hinzu kommt: Die Wettbewerbslinie zwischen GKV und PKV im begrenzten Bereich der freiwillig Versicherten wird zugunsten der PKV verschoben - ein Vorgang, gegen den die PKV stets heftig protestiert hat, etwa, als die GKV die Möglichkeit bekam, Zusatzversicherungen anzubieten.

Es könnte aber auch sein, dass diese Maßnahmen der Einstieg in die Gleichschaltung von GKV und PKV sind. Nur: Dann sollten Politiker dies auch offen sagen! Erkennbar ist die Agenda hierfür bisher nicht.

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