Mobile Heilberufler

Was der neue EU-Berufsausweis wirklich bringt

Die Anerkennung von beruflichen Qualifikationen innerhalb der EU soll einfacher werden. Das betrifft insbesondere die Heilberufe. Dabei soll auch ein Frühwarnsystem etabliert werden, das Berufsverbote schneller offenlegt.

Rebekka HöhlVon Rebekka Höhl Veröffentlicht:
Das neue Verfahren betrifft zunächst Apotheker, Krankenpflegekräfte und Physiotherapeuten.

Das neue Verfahren betrifft zunächst Apotheker, Krankenpflegekräfte und Physiotherapeuten.

© [M] til | Volker Witt / fotolia.com (Ärztin) | medisign GmbH (Arztausweis)

NEU-ISENBURG. EU-Vorhaben brauchen oft einen langen Atem - so auch der Europäische Berufsausweis (EU-Berufsausweis), der für mehr Mobilität im europäischen Arbeitsmarkt sorgen und damit den Fachkräftemangel dämpfen soll.

Vor über fünf Jahren stellte die EU-Kommission den entsprechenden Gesetzentwurf für das vereinfachte berufliche Anerkennungsverfahren vor. Richtig losgehen kann es in Deutschland aber erst jetzt. Ende Januar hat der Bundesrat den entscheidenden Beschluss gefällt und grünes Licht für den EU-Berufsausweis gegeben.

Dabei betrifft das neue Verfahren unter den Heilberuflern zunächst nur Apotheker, Krankenpfleger und -schwestern sowie Physiotherapeuten. In einem nächsten Schritt sollen dann Ärzte profitieren.

Das zugehörige Gesetz zur Umsetzung der EU-Richtlinie sieht bereits Änderungen in der Bundesärzteordnung vor. Ebenso wie Anpassungen der Ausbildungs- und Prüfungsordnungen anderer Gesundheitsberufe, wie die der Ergotherapeuten oder Logopäden.

Einheitsmeldesystem für schwarze Schafe

Wie die Bundesärztekammer gegenüber der "Ärzte Zeitung" erklärt, handelt es sich nicht um einen physischen Ausweis. Vielmehr werde ein rein elektronisches Verfahren für die Anerkennung der Berufsqualifikationen zwischen EU-Mitgliedsstaaten aufgesetzt.

Dieses soll auch einen Vorwarnmechanismus beinhalten, über den andere EU-Staaten schneller über verhängte Berufsverbote oder -einschränkungen informiert werden.

Das Gesetz sieht hierzu vor, dass die Stelle eines Mitgliedstaates, die zum Beispiel einem Arzt oder Apotheker die Berechtigung zur Berufsausübung komplett oder temporär untersagt hat, dies unverzüglich in ein spezielles Binnenmarkt-Informationssystem, das sogenannte IMI, eingibt. Und darüber die jeweils zuständigen Behörden aller anderen EU- Mitgliedsstaaten informiert.

Gleiches gilt, wenn Personen wegen gefälschter Qualifizierungsnachweise verurteilt werden. Oder wenn die Berufsausübung anderweitig beschränkt wurde. "Der Vorwarnmechanismus soll sicherstellen, dass Patienten und Verbraucher in der EU ausreichend geschützt sind", erläutert Samir Rabbata von der Pressestelle der Bundesärztekammer.

Das Antragsverfahren wird für Heilberufler, die im EU-Ausland tätig werden wollen, tatsächlich einfacher. Sie können ihren Antrag komplett online stellen. Bereits hochgeladene Unterlagen können dabei für weitere Anträge wiederverwendet werden. Außerdem kann der Heilberufler online verfolgen, wie es mit seinem Antrag vorangeht.

Geht es nur um eine vorübergehende Auslandstätigkeit und ist keine Überprüfung des Aufnahmelandes notwendig, muss die Behörde des Herkunftslandes innerhalb von drei Wochen eine Entscheidung treffen, ob die Genehmigung zur Berufsausübung im Ausland erteilt wird oder nicht.

Stehen weitere Prüfungen im Aufnahmeland an, muss innerhalb von vier Monaten die Entscheidung fallen. Bei Ärzten werden die Approbationsstellen der jeweiligen Bundesländer die Prüfung übernehmen.

Da nach den letzten verfügbaren Zahlen der EU-Kommission mehr Ärzte aus anderen EU-Staaten in Deutschland tätig werden (im Jahr 2012: 3387 Fälle), als es deutsche Ärzte in die EU-Mitgliedsstaaten zieht (2012: 356 Fälle), erwartet die Bundesregierung einen deutlichen Minderaufwand für die Approbationsbehörden der Bundesländer.

"Wochenendausbildung" soll verhindert werden

Der EU-Berufsausweis wird dabei die bisherigen Nachweisverfahren innerhalb der EU ersetzen. Angepasst wurde aber ebenso die Mindestausbildungsdauer der Ärzte. Diese wird nun in der Bundesärzteordnung mit mindestens 5500 Stunden und einer Dauer von mindestens sechs Jahren fürs Studium angegeben.

Dadurch sollen laut einer Pressemitteilung des Bundesgesundheitsministeriums - aus dem Herbst 2015, als das Bundeskabinett den Gesetzentwurf beschlossen hatte - die sogenannten "Wochenendausbildungen" verhindert werden, die zwar die vorgeschriebene Anzahl von Jahren dauern würden, aber nur relativ wenige Stunden umfassten.

Ob das neue Verfahren vielleicht auch ungewollte Konkurrenzsituationen hervorrufen wird, oder die Akademisierung mancher Heilberufe vorantreibt, bleibt abzuwarten. Die Apotheker, die bereits betroffen sind, bleiben zumindest gelassen. Das neue Verfahren ändere nichts an den materiellen Bedingungen für eine Anerkennung, heißt es vonseiten der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände e.V. (ABDA).

"Insofern dürften kaum praktische Auswirkung im Sinne von ,mehr Konkurrenz‘ zu erwarten sein, zumal die Migrationszahlen von Apothekern in der EU überschaubar sind", so Dr. Ursula Sellerberg, stellvertretende Pressesprecherin der ABDA.

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