Substitution

Ärzte haften nicht für Take-Home-Schäden

Take-Home-Verordnungen können Probleme machen - vor allem beim Beikonsum. Doch strafbar macht sich ein Arzt damit nicht, wenn der Patient dann an einer Überdosis stirbt, hat jetzt der BGH entschieden. Dennoch gibt es Grenzen für Mediziner.

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Methadon: Ärzte sollten die Grenzen der Verordnungsfähigkeit gut kennen.

Methadon: Ärzte sollten die Grenzen der Verordnungsfähigkeit gut kennen.

© Daniel Karmann / dpa

KARLSRUHE. Bei der Drogen-Substitutionstherapie dürfen Ärzte nur in klar umschriebenen Ausnahmefällen den Patienten Methadon oder eine andere Ersatzdroge mit nach Hause geben. Stirbt ein Patient nach einem Verstoß gegen diese Regeln, ist der Arzt dafür allerdings strafrechtlich nicht verantwortlich, urteilte der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe.

Es bestätigte damit ein Urteil des Landgerichts Deggendorf gegen einen Arzt in Bayern. Er hatte von 2006 bis 2011 drogenabhängige Substitutionspatienten behandelt. Üblich müssen die Patienten die verordnete Ersatzdroge unter Aufsicht in der Praxis einnehmen.

Mindestens vier Patienten schrieb der Arzt aber sogenannte "Take-Home-Verordnungen" für die Ersatzdrogen Methadon beziehungsweise Levomethadon aus. Mit solch einer Verordnung können die Patienten ihre Ersatzdroge selbst in der Apotheke holen und dann eigenständig, ohne ärztliche Kontrolle, einnehmen.

Nach den Vorgaben der Bundesärztekammer ist dies nur zulässig, wenn sich der Behandlungsverlauf in jeder Hinsicht stabilisiert hat. Insbesondere ist es erforderlich, dass der Patient eine immer gleichbleibende Dosis seiner Ersatzdroge benötigt.

Zudem muss der Arzt sicher sein, dass der Patient nicht zusätzlich auch andere Drogen nimmt. Die Verordnung darf höchstens für sieben Tage reichen, bei einem Auslandsaufenthalt des Patienten ausnahmsweise auch länger.

Im Streitfall hatte der Arzt einem seiner Patienten fünf "Take-Home-Verordnungen" hintereinander ausgestellt, ohne während dieser Zeit persönlichen Kontakt zu ihm zu haben. Der Patient starb später an einer Überdosis Methadon.

Die BtM-Regeln gelten trotzdem

Das Landgericht Deggendorf warf dem Arzt vor, er habe es billigend in Kauf genommen, dass dieser und auch andere Patienten das Methadon nicht bestimmungsgemäß einnehmen. Zudem habe der Arzt den möglichen "Beikonsum" anderer Drogen nicht ausreichend kontrolliert.

Wegen "unerlaubten Verschreibens von Betäubungsmitteln" verurteilte das Landgericht den Arzt zu einer Geldstrafe von 360 Tagessätzen - also einer Strafe in Höhe knapp eines Jahreseinkommens.

Dagegen sprach das Landgericht den Arzt vom Vorwurf eines auch fahrlässigen Tötungsdelikts frei. Der Patient habe sich "in Kenntnis des Risikos einer Überdosierung eigenverantwortlich selbst gefährdet". Dafür sei der Arzt strafrechtlich nicht verantwortlich.

Vor dem BGH griffen sowohl der Arzt als auch die Staatsanwaltschaft dieses Urteil an. Die Karlsruher Richter wiesen aber beide Rechtsmittel ab.

Selbst unter Berücksichtigung eines weiten Beurteilungsspielraums für seine Behandlungen habe der Arzt "eindeutig" gegen die Vorgaben für das Take-Home-Verfahren verstoßen. "Deshalb handelte es sich jeweils um unerlaubte und damit strafbare Verschreibungen von Betäubungsmitteln."

Hinsichtlich des verstorbenen Patienten bestätigten die Karlsruher Richter aber die Annahme des Landgerichts, es habe "eine eigenverantwortliche Selbstgefährdung des Patienten" vorgelegen. (mwo)

Az.: 1 StR 494/13

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