Kommentar zur Behandlungsfehler-Statistik

Spektakuläre Fälle, aber nüchterne Zahlenreihen

Hauke GerlofVon Hauke Gerlof Veröffentlicht:

Das Thema Behandlungsfehler ist immer für Schlagzeilen gut. Das gilt besonders dann, wenn es um spektakuläre Einzelfälle geht. So war es auch am Dienstag wieder im Talkshow-Format "Menschen bei Maischberger" zum Thema "Der verunsicherte Patient: Warum misstrauen wir Ärzten?".

Die Kindergärtnerin mit dem jahrelang trotz häufiger Ohnmachten übersehenen Hirntumor war nur einer von drei Fällen, zu denen auch Allgemeinarzt und Hartmannbund-Chef Dr. Klaus Reinhardt nur feststellen konnte, dass hier bei der Behandlung vieles schief gelaufen war.

Doch Reinhardt war umsichtig genug festzustellen, dass eine Talkshow eben von diesen spektakulären Fällen lebt - dass die tatsächliche Fehlerquote angesichts von Millionen Arzt-Patienten-Kontakten doch immer noch verschwindend gering ist. Reinhardts Fazit war denn auch: "Patienten sind heute aufgeklärter und informierter, auch kritischer, aber nicht unbedingt misstrauischer."

Die am Mittwoch veröffentlichten Fakten des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes der Krankenkassen (MDS) geben Reinhardt recht. Die nüchternen Zahlenreihen der Gutachter der Medizinischen Dienste zeigen für 2014 keine großen Ausschläge, nur einen leichten Anstieg bei den Fehlervorwürfen und auch bei der Zahl der bestätigten Behandlungsfehler.

"Keine Entwarnung" hieß es nun vom MDS - wegen der "hohen Zahl der Behandlungsfehlervorwürfe" und auch wegen einer vermutet hohen Dunkelziffer. In der Tat weiß niemand, wie viele Behandlungsfehler tatsächlich niemandem auffallen und wie häufig Patienten davon absehen, Schadenersatz einzuklagen, weil sie ihre Rechte nicht kennen.

Ein echtes Manko ist, dass es bis heute nicht einmal für die bekanntgewordenen Fehler ein Register gibt, das objektive Rückschlüsse auf die tatsächliche Entwicklung zulassen würde. Der MDS sieht einen leichten Zuwachs bei Fehlern, die Schlichtungsstellen einen leichten Rückgang - doch aussagekräftige Zahlen gibt es nicht. Niemand führt die Fälle zusammen.

Am Ende entscheidend sind weder spektakuläre Fälle in Talkshows noch nüchterne Zahlenreihen. Entscheidend sind eine Fehlerkultur und ein Qualitätsmanagement, das Fehler in Kliniken und Praxen immer weniger wahrscheinlich werden lässt. Denn jeder Fehler ist letztlich einer zu viel.

Lesen Sie dazu auch: Arztfehler: Zumeist falsche Verdächtigungen

Schlagworte:
Mehr zum Thema

Junges Forum auf dem DGIM-Kongress

Appell für eine bessere Fehlerkultur

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

„ÄrzteTag“-Podcast

Was steckt hinter dem Alice-im-Wunderland-Syndrom, Dr. Jürgens?

Stabile Erkrankung über sechs Monate

Erste Erfolge mit CAR-T-Zelltherapien gegen Glioblastom

Lesetipps
Die Empfehlungen zur Erstlinientherapie eines Pankreaskarzinoms wurden um den Wirkstoff NALIRIFOX erweitert.

© Jo Panuwat D / stock.adobe.com

Umstellung auf Living Guideline

S3-Leitlinie zu Pankreaskrebs aktualisiert

Gefangen in der Gedankenspirale: Personen mit Depressionen und übertriebenen Ängsten profitieren von Entropie-steigernden Wirkstoffen wie Psychedelika.

© Jacqueline Weber / stock.adobe.com

Jahrestagung Amerikanische Neurologen

Eine Frage der Entropie: Wie Psychedelika bei Depressionen wirken