Behandlungsfehler

Patient muss kein Fachwissen haben

Patienten und Anwälte müssen sich kein Medizin-Fachwissen aneignen, um gegen vermeintliche Behandlungsfehler zu klagen.

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KARLSRUHE. Bei gerichtlichen Auseinandersetzungen um mögliche ärztliche Behandlungsfehler dürfen die Anforderungen an die Darlegungspflichten des Patienten nicht überspannt werden.

"Der Patient und sein Prozessbevollmächtigter sind insbesondere nicht verpflichtet, sich zur ordnungsgemäßen Prozessführung medizinisches Fachwissen anzueignen", heißt es im Leitsatz eines aktuell veröffentlichten Beschlusses des Bundesgerichtshofs.

In dem entschiedenen Fall war eine damals 59-jährige Frau 2009 drei Mal gestürzt. Mehrfach wurde sie in zwei verschiedenen Krankenhäusern operiert. Unter anderem wurde ihr eine künstliche Hüfte eingesetzt.

Im Frühjahr 2010 wurden im Wundinneren Enterokokken und Staphylokokken festgestellt. Die Patientin klagte gegen beide Kliniken mit der Begründung, die "tiefe Infektion" lasse darauf schließen, dass bei den Operationen die Hygienestandards nicht eingehalten worden seien. Erstinstanzlich wurde die Klage vom Landgericht Saarbrücken abgewiesen.

Klage zunächst abgewiesen

In der Revision vor dem Oberlandesgericht (OLG) Saarbrücken argumentierte die Patientin dann erstmals, bei einer der Operationen sei das Wunddebridement nicht durchgeführt worden. Das Oberlandesgericht wollte diese Argument nicht gelten lassen und wies sie als verspätet zurück.

Die Patientin hätten diesen Einwand schon vor dem Landgericht anbringen müssen, meinten die zweitinstanzlichen Richter und wiesen die Klage ebenfalls ab.

Die Revision zum Bundesgerichthof ließ das OLG nicht zu. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Frau hatte nun vor dem BGH Erfolg.

Er hob das Saarbrücker Urteil auf und verwies den Streit jedenfalls bezüglich der Klage gegen die zweite behandelnde Klinik an das OLG Saarbrücken zurück.

Zur Begründung erklärte der Bundesgerichthof, das OLG habe die Anforderungen an die Darlegungen der Patientin überspannt.

Das Wunddebridement sei bei dieser Operation jedenfalls nicht dokumentiert worden. Erst ein neuer Rechtsanwalt habe die Patientin darauf hingewiesen, dass dies die Ursache für die Infektion hätte sein können.

Unter diesen Umständen habe das OLG das Argument nicht übergehen dürfen, entschieden die Bundesrichter.

Im zweiten Durchgang soll das OLG Saarbrücken daher nun einen Sachverständigen zu der Frage heranziehen, ob möglicherweise dennoch ein Wunddebridement vorgenommen aber nur nicht dokumentiert wurde, weil die Dokumentation damals vielleicht noch nicht üblich war. (mwo)

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