Ärztekammer Nordrhein

Kritik an Vereinheitlichung von Schlichtungsverfahren

Wenn Schlichtungsverfahren bundesweit einheitlicher geregelt werden sollen, dürfen nicht alle regionalen Traditionen unter den Tisch fallen, plädieren Experten.

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Schlichtungsverfahren sollen auch weiterhin durchgeführt werden können, selbst wenn der Arzt ihnen nicht zustimmt, plädiert Johannes Riedel von der Ärztekammer Nordrhein.

Schlichtungsverfahren sollen auch weiterhin durchgeführt werden können, selbst wenn der Arzt ihnen nicht zustimmt, plädiert Johannes Riedel von der Ärztekammer Nordrhein.

© Marco2811 / stockadobe.com

DÜSSELDORF. Eine Angleichung der Verfahren bei den Schlichtungsstellen und Gutachterkommissionen darf die Position der Berufshaftpflichtversicherer der Ärzte in den Verfahren nicht stärken. Das findet der Vorsitzende der Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler bei der Ärztekammer Nordrhein (ÄKNo) Johannes Riedel.

"Mir ist es wichtig, dass der Einfluss der Versicherer begrenzt bleibt", sagte der ehemalige Präsident des Oberlandesgerichts Köln, bei der ÄKNo-Kammerversammlung in Nordrhein. "Sie dürfen nicht zum Herr des Verfahrens werden, wie es bei der ein oder anderen Schlichtungsstelle der Fall zu sein scheint."

Nach Riedels Angaben drängen die Haftpflichtversicherer auf eine Vereinheitlichung. Ob sie angesichts des Trends zum Festhalten an lieb gewonnenen Traditionen in den einzelnen Einrichtungen realistisch ist, bleibe abzuwarten. Riedel selbst plädierte dafür, an einer nordrheinischen Besonderheit festzuhalten: der Durchführung von Schlichtungsverfahren auch dann, wenn der Arzt ihnen nicht zustimmt, was meist auf Initiative der Versicherer geschieht.

99 Verfahren ohne ärztliche Beteiligung

Im Zeitraum 1. Oktober 2016 bis 30. September 2017 hatten 144 Ärzte dem Begutachtungsverfahren widersprochen, das waren rund sieben Prozent aller Anträge. 99 Verfahren wurden in dieser Zeit ohne Beteiligung der Ärzte erledigt, davon vier aus formalen Gründen ohne medizinisch-rechtliche Begutachtung, 33 mit Feststellung und 62 mit Verneinung eines ärztlichen Behandlungsfehlers.

Insgesamt gingen bei der Gutachterkommission 1967 neue Anträge ein, das war ein Rückgang um knapp zehn Prozent. Bei den anderen Schlichtungsstellen gebe es eine ähnliche Entwicklung, die Gründe dafür seien noch nicht ersichtlich, sagte Riedel.

"Sollte der Rückgang der Fallzahlen eine grundsätzliche Trendwende einleiten, so wäre dies aus Sicht der Gutachterkommission im Sinne einer Entspannung der Situation der Arzthaftung, die über Jahrzehnte von einer gegenläufigen Entwicklung beherrscht war, durchaus zu begrüßen", heißt es im Tätigkeitsbericht der Kommission. Es könne sein, dass die hohe Qualität der medizinischen Versorgung weniger Anlass für Beanstandungen biete.

Ein dauerhafter Rückgang des Antragsvolumens würde den Ärzten und Juristen in der Kommission die Möglichkeit geben, mit mehr Einsatz und Akribie an den Einzelfall zu gehen, betonte der Vorsitzende. Die Bearbeitung der Verfahren dauert in Nordrhein zurzeit im Schnitt gut zehn Monate.

Gutachter sind schwierig zu finden

Die Kommission hat nach Angaben von Riedel Schwierigkeiten, neue Mitstreiter zu gewinnen. "Wir benötigen eine gute Anzahl von Gutachtern, die bereit sind, mehr als drei oder vier Fälle im Jahr zu übernehmen." Das sorge für eine gewisse Routine. Eventuell müsse die Kommission über kurz oder lang über eine Anpassung der Honorierung nachdenken, sagte er.

Während die Nordrheiner eine Aufwandsentschädigung zahlten, gebe es bei anderen Schlichtungsstellen die üblichen Sätze für Gutachten. "Trotzdem werben wir für die ehrenamtliche Tätigkeit."

Im Berichtszeitraum 2016/2017 stellten Gutachter in Nordrhein in 31,1 Prozent der geprüften Fälle einen Behandlungsfehler fest. Das ist etwas mehr als ein Jahr zuvor (29,9 Prozent), liegt aber nahe dem langjährigen Durchschnitt von 31,7 Prozent.

In 39,2 Prozent machten die Beteiligten von dem Recht Gebrauch, nach dem ersten Gutachten ein zweites abschließendes Gutachten zu verlangen. Von diesen 642 Anträgen kamen 77,7 Prozent von den Patienten, 18,5 Prozent von den Ärzten und 3,7 Prozent von beiden.

"Demnach wird die gutachterliche Feststellung eines Behandlungsfehlers von Ärzten relativ häufiger unwidersprochen akzeptiert als die gegenteilige Feststellung seitens der am Verfahren beteiligten Patienten", schreiben Riedel und das geschäftsführende Kommissionsmitglied Professor Hans Friedrich Kienzle im Tätigkeitsbericht. (iss)

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