Heilpraktiker-Debatte

Therapeuten stecken Revier ab

Mainzer Allianz gegen Heilpraktiker in der Psychotherapie: Landespsychotherapeutenkammer und Landesärztekammer Rheinland-Pfalz setzen sich gemeinsam für die Abschaffung der beschränkten Heilpraktikererlaubnis ein.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Beim Heilpraktiker suchen Patienten auch psychotherapeutischen Rat. Das missfällt Ärztlichen und Psychologischen Therapeuten.

Beim Heilpraktiker suchen Patienten auch psychotherapeutischen Rat. Das missfällt Ärztlichen und Psychologischen Therapeuten.

© AlexRaths/iStock/ Thinkstock

MAINZ. Die Abschaffung der beschränkten Heilpraktikererlaubnis im Bereich der Psychotherapie – für nichts Geringeres spricht sich Peter Brettle, seines Zeichens Präsident der Landespsychotherapeutenkammer Rheinland-Pfalz, aus. Er schaltet sich damit in die Diskussion um die Reform oder gar Abschaffung des deutschen Heilpraktikerwesens ein, die vergangene Woche durch den "Münsteraner Kreis" um die Medizinethikerin Professor Bettina Schöne-Seifert angestoßen worden war.

"Es besteht die Gefahr, dass die Kompetenz der Heilpraktiker überschätzt wird und eine notwendige wissenschaftlich fundierte Behandlung daher ausbleibt", heißt es in einem gemeinsamen Statement von Brettle und dem Präsidenten der Landesärztekammer Rheinland-Pfalz Dr. Günther Matheis.

Um einen ausreichenden Patientenschutz zu gewährleisten, "müssen wir die Kompetenzen und den Umfang der Erlaubnis von Heilpraktikern zur Ausübung der Heilkunde innerhalb des Gesundheitswesens und der Gesundheitspolitik dringend kritisch diskutieren", mahnen die beiden rheinland-pfälzischen Kammerpräsidenten.

Heilpraktikergesetz ohne Belang?

In der Schusslinie der beiden Kammerpräsidenten stehen vor allem die im Vergleich zum ärztlichen und psychotherapeutischen Wirken einfacheren Qualifikationshürden für den Berufszugang. Denn: Um zu einer Prüfung zum Heilpraktiker zugelassen zu werden, müsse man keine staatliche Heilpraktiker-Ausbildung durchlaufen, ein Hauptschulabschluss sei ausreichend. "Wir warnen davor, die Möglichkeiten von Heilpraktikern zu überschätzen", so Matheis. In Rheinland-Pfalz müssten Heilpraktikeranwärter im schriftlichen Teil der Überprüfung Fragen im Multiple-Choice-Verfahren beantworten, etwa 75 Prozent davon müssten richtig beantwortet werden, ergänzt er. Der mündliche Test finde in der Gruppe statt.

Im Teilgebiet Psychotherapie könne sich ebenfalls jeder zu einer Prüfung zum Heilpraktiker anmelden, ohne je eine psychotherapeutische Ausbildung absolviert zu haben. Auch hier müssten im schriftlichen Teil einige Multiple-Choice-Fragen beantwortet werden, heißt es.

Ziel der Überprüfung sei es, dass die Ausübung der Heilkunde durch den Betreffenden keine Gefahr für die Volksgesundheit darstellt. "Wir sind der Meinung, dass das Heilpraktikergesetz aus dem Jahre 1939 nicht mehr zeitgemäß ist und im Sinne der Patientensicherheit dringend kritisch hinterfragt werden muss", positionieren sich die beiden Kammerpräsidenten in der sowohl auf Ärzte- als auch auf Heilpraktikerseite inzwischen heftig geführten Debatte um die Zukunft der Paramediziner in Deutschland.

"Angesichts der weitreichenden Befugnisse eines Heilpraktikers, die Heilkunde am Menschen ausüben zu dürfen, ist eine Prüfung beim Gesundheitsamt, in der geschaut wird, ob von der Person Gefahren für die Volksgesundheit ausgehen, vollkommen unzureichend."

Fehlende Pflichtenbindung moniert

Einen weiteren Angriffspunkt machen die beiden Kammerpräsidenten in der Tatsache aus, dass Heilpraktiker auch nicht der sogenannten ärztlichen Pflichtenbindung unterliegen. "Bei Ärzten und Psychotherapeuten haben Patienten bei der Behandlung einen rechtlich verbürgten Anspruch darauf, dass die Aufklärungs-, Sorgfalts-, Verschwiegenheits- und Haftungsvorschriften beachtet werden", hebt Matheis hervor.

Um mögliche Missverständnisse in der Bevölkerung zu vermeiden, betont der Kammerpräsident, dass Heilpraktiker keine Pseudo-Ärzte für alternative Medizin seien. Dagegen besitzen Ärzte, die sich naturheilkundlich erfolgreich weitergebildet haben, die Zusatz-Weiterbildung "Naturheilverfahren", ergänzt Matheis.

Wie sein Pendant Brettle ergänzt, sei für Patienten auch das Nebeneinander von "Heilpraktikern für Psychotherapie" einerseits und Psychologischen und Ärztlichen Psychotherapeuten andererseits sowie deren grundsätzlich unterschiedliche Qualifikation kaum zu durchschauen.

Wie er ergänzt, unterliegen die Ausbildungen zum Psychologischen und zum Ärztlichen Psychotherapeuten im Interesse der Patienten strengen Qualitätsvorschriften. Psychotherapeuten dürften nur wissenschaftlich anerkannte, evidenzbasierte Verfahren anwenden. Das Berufsbild des Psychotherapeuten hebe sich somit genauso wie das des Ärztlichen Psychotherapeuten deutlich von der Ausübung der Psychotherapie durch Heilpraktiker mit "beliebiger Vorbildung und ohne geregelte Ausbildung" ab.

Patientenzufriedenheit als Indikator

Ralf Dissemond, Vorsitzender des Verbands Klassischer Homöopathen (VKHD), greift einen in der Qualifikationsdebatte beinahe untergegangenen Aspekt auf: die Patientenzufriedenheit. "Oft kommen Patienten zu uns, weil ihnen die Behandlung von anderen Patienten empfohlen wurde und nachdem sie sich über die angewendeten Therapien informiert haben. Diese Empfehlungskette würde wohl kaum funktionieren, wenn unsere Patienten sich schlecht behandelt fühlen würden", folgert Dissemond.

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