Fortbildung

Arzt rebelliert gegen Kostgängerverbot

Die Ärztekammer Niedersachsen verbietet Ärzten, sich auf Kosten Dritter zu Fortbildungen einladen zu lassen. Ein Hausarzt kämpft gegen die Restriktion.

Christian BenekerVon Christian Beneker Veröffentlicht:
Fortbildung ist für Ärzte Pflicht - in Niedersachsen stets auf eigene Rechnung. So will es die Kammer.

Fortbildung ist für Ärzte Pflicht - in Niedersachsen stets auf eigene Rechnung. So will es die Kammer.

© shock / fotolia.com

HANNOVER. Was alle Ärztekammern erlauben, kann doch die niedersächsische Kammer nicht verbieten, argumentierte vor Kurzem die zweite Kammer des Niedersächsischen Berufsgerichtes im Falle eines Arztes, der sich selber angezeigt hatte. Die Richter sollten bewerten, ob er sich zu Unrecht zu Fortbildungsveranstaltungen hat einladen lassen.

Das Gericht mochte aber kein Verfahren eröffnen. Aus zwei Gründen. Erstens war der in Rede stehende Betrag von zwei Mal 150 Euro zu gering, um darauf ein Verfahren aufzubauen. Und zweitens hieß es bei Gericht: Da keine der übrigen Ärztekammern auf "ungerechtfertigte Vorteilsnahme" durch Einladungen et cetera schließe, könne man dies in Niedersachsen auch nicht tun.

Warum Niedersachsen? Die ÄKN hatte im vergangenen Jahr im Internet klar gestellt, wie sie es fortan mit der Praxis vieler Ärzte halten will, sich Fahrt, Veranstaltung oder Unterkunft bei Fortbildungen bezahlen zu lassen: Die Kammer will diese Praxis unterbinden - bisher als einzige Kammer in Deutschland.

Formal hat die ÄKN dazu einen bestimmten Passus aus der Musterberufsordnung nicht übernommen. Er besagt, die "Annahme von geldwerten Vorteilen in angemessener Höhe (sei) nicht berufswidrig, sofern diese ausschließlich für berufsbezogene Fortbildung verwendet werden" (Paragraf 32 Absatz 2 Musterberufsordnung).

Moratorium vereinbar

Indem sie diesen Passus streiche, so argumentiert die ÄKN, verbiete es ihre Berufsordnung, Geschenke oder Vorteile anzunehmen, "wenn hierdurch der Eindruck erweckt wird, dass die Unabhängigkeit der ärztlichen Entscheidung beeinflusst wird". Nach Ansicht der ÄKN wird dieser Eindruck also auch durch Einladungen zu Fortbildungsveranstaltungen erweckt.

Der Hildesheimer Internist und Vorsitzende des Hartmannbundes Niedersachsen, Dr. Bernd Lücke, teilt diese Ansicht nicht und machte die Probe aufs Exempel. Er zeigte sich selber bei der ÄKN an. Die Kammer brachte dann Lückes Selbstanzeige vor das Berufsgericht.

Die Folge des Richterspruchs: Die Kammer in Hannover hält nun bis auf Weiteres still und hat mit Lücke ein Moratorium vereinbart. Es besagt, das Verbot in der Berufsordnung "nicht zum Gegenstand berufsrechtlicher Maßnahmen" zu machen. Die Kammer verfolgt derzeit also keinen Arzt, der Paragraf 32/2 übertritt.

"Aber das Verbot bleibt bestehen", betont Hausarzt und Vorstandsmitglied der ÄKN, Dr. Jens Wagenknecht. Für Lücke freilich verstößt die gängige Praxis, sich einladen zu lassen, "nicht gegen die Niedersächsische Berufsordnung", wie er betont.

"Wir warten jetzt, was der Gesetzgeber mit dem Bestechlichkeitsparagrafen macht", so Wagenknecht. In den Koalitionsvertrag haben die Regierungsparteien geschrieben, den Bestechungstatbestand bei Ärzten ins Strafgesetzbuch aufzunehmen. "Auf dem Ärztetag 2015 könnte die Sache dann geklärt werden."

Hausarzt sieht sich bestätigt

In der Tat hat die Bundesärztekammer die Landesärztekammern aufgefordert, in ihren Häusern Meinungsbilder zum Thema zu erheben. "Bis zu einer gemeinsamen Linie gilt das Moratorium", sagt Wagenknecht.

Immerhin sei die Niedersächsische Haltung erfolgreich. Sie habe das Thema bundesweit aufs Tapet gebracht, heißt es in dem Moratorium.

Lücke indessen sieht sich in seiner Argumentation bestätigt. "Jetzt gilt in Niedersachsen die gleiche Regelung, wie überall in Deutschland", sagt er zur "Ärzte Zeitung".

Und vor der Umsetzung des Koalitionsvertrages habe er "keine Angst". "Die Regelung hätte im Zweifel vor dem Bundesverfassungsgericht niemals Bestand", glaubt Lücke.

Denn käme es zu einem entsprechenden Strafrechtsparagrafen, "würden die Ärzte anders behandelt als andere Berufsgruppen, und das wäre vor Gericht nicht haltbar."

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