Medizinprodukte
Keine Kostenübernahme mehr für Anreise zu Fortbildungen?
Machen Medizinproduktehersteller jetzt auf breiter Front Schluss mit der Übernahme von Reisekosten zu Fortbildungsveranstaltungen? Sie müssten es nicht. Doch eine neue Vorschrift ihres europäischen Dachverbandes zwingt sie, zu reagieren.
Veröffentlicht:BERLIN. Der Medizintechnik-Verband BVMed rät seinen Mitgliedern, um jeglichen Korruptionsverdacht zu vermeiden künftig keine direkte Unterstützung mehr für die passive Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen zu leisten. In einem längeren Passus, um den der Paragraf 8 des "Kodex Medizinprodukte" zum 1. Januar 2018 ergänzt werden soll, heißt es unter anderem, "eine vollkommene Risikominimierung kann bei der direkten Unterstützung der passiven Teilnahme an drittorganisierten Konferenzen nur dadurch erreicht werden, indem die Unternehmen eine derartige Unterstützung gänzlich einstellen".
Derzeit sei eine Übernahme von Fort- und Weiterbildungskosten für Ärzte in Deutschland zwar nicht verboten, erläutert BVMed-Sprecher Manfred Beeres. In der ärztlichen Musterberufsordnung ist sogar ausdrücklich festgehalten (§ 32 Absatz 2), dass "notwendige Reisekosten und Tagungsgebühren" anzunehmen, keineswegs berufswidrig sei. Jedoch habe der europäische Medizinprodukteverband MedTech Europe im vergangenen Jahr beschlossen, dass seine Mitgliedsunternehmen ab 1. Januar 2018 Angehörigen der Fachkreise bei der passiven Teilnahme an drittorganisierten Konferenzen nicht mehr finanziell unter die Arme greifen dürfen. Darauf reagiere man jetzt mit der Kodex-Ergänzung, so Beeres.
Kodex hat Empfehlungscharakter
Abmahnungen bei einem Verstoß – "manche machen es, andere nicht mehr", fasst Beeres die derzeitige Praxis in seiner Branches zusammen – müssen die BVMed-Mitglieder allerdings nicht befürchten. Der Kodex Medizinprodukte sei "anders aufgestellt" als etwa der "FSA-Kodex zur Zusammenarbeit mit Fachkreisen", mit dem sich die forschenden Pharmaunternehmen bestimmte Marktverhaltensregeln auferlegen. Der BVMed-Kodex beschränke sich auf die Erläuterung der Rechtslage, was die Zusammenarbeit zwischen Herstellern und Ärzten sowie medizinischen Einrichtungen angeht. Laut Pressesprecher Beeres hat der Kodex eher Empfehlungscharakter.
Einen Präzedenzfall, dass ein Staatsanwalt bereits wegen der Übernahme von Reisekosten zu Fortbildungsveranstaltungen ein Korruptionsverfahren eröffnet hätte, sei ihm bislang nicht bekannt. Aber es gebe Hinweise, dass einige deutsche Staatsanwälte das zumindest "für bedenklich" halten.
In diesem Sinne hatte sich etwa auch schon der prominente Frankfurter Oberstaatsanwalt Alexander Badle, Leiter der hessischen Zentralstelle zur Bekämpfung von Vermögensstraftaten und Korruption im Gesundheitswesen, unmittelbar nach Inkrafttreten der neuen Anti-Korruptionsparagrafen für Heilberufler im Juni 2016 geäußert.
Badle damals auf einer Informationsveranstaltung für Pharma-Vertreter: "Kostenübernahme für passive Fortbildungsteilnahme sollte eigentlich dem Tode geweiht sein".
FSA: Kein Thema
Der Pharma-Selbstkontrollverein FSA erklärte auf Anfrage, dass für ihn "ein Verbot der Förderung der individuellen Teilnahme an wissenschaftlichen Fortbildungsveranstaltungen derzeit kein Thema" sei. Man sehe "diese Form der Unterstützung nach wie vor als ein wichtiges Element an, um den wissenschaftlichen Austausch und Innovationstransfer im Sinne der Patienten zu fördern", heißt es in einer Stellungnahme. Im Übrigen verweist der FSA auf die Gesetzesbegründung zum Antikorruptionsgesetz, wonach "auch der Gesetzgeber diese Form der Unterstützung als zulässig erachtet".