Aachener Forscher verteidigen sich

Fakten wider die Abgas-Hysterie

"Es war ein wohlbegründetes Studiendesign": Führende Vertreter der Aachener Unimedizin sind an die Öffentlichkeit gegangen, um den in ihren Augen irreführenden Berichten über die angebliche Abgasstudie mit Fakten zu begegnen.

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Fakten wider die Furcht: Die RWTH Aachen betonte in einer Pressekonferenz erneut, dass es sich um eine Expositionsstudie gehandelt hat, wie sie in der Arbeitsmedizin üblich sind – und nicht um eine Abgasstudie.

Fakten wider die Furcht: Die RWTH Aachen betonte in einer Pressekonferenz erneut, dass es sich um eine Expositionsstudie gehandelt hat, wie sie in der Arbeitsmedizin üblich sind – und nicht um eine Abgasstudie.

© die-exklusiven / stockadobe.com

AACHEN. Eigentlich regiert im Rheinland gerade der Karneval. Den Herren, die am vergangenen Freitagvormittag in einem Hörsaal der Aachener Universitätsklinik vor die Presse traten, war aber eher schon nach dem Ernst des Aschermittwochs zumute. Grund für den getrübten Frohsinn und Anlass der Pressekonferenz war der Wirbel um die angeblichen Menschenversuche mit Abgasen, die Aachener Forscher unternommen haben sollen.

 In Presseberichten wurden sie in Zusammenhang mit den in den USA jüngst bekannt gewordenen Tests mit Affen gebracht, die man den Auspuffgasen eines VW-Dieselfahrzeugs ausgesetzt hatte. Ein weiterer Abgrund der Dieselaffäre, so schien es vielen.

Dass diese Einschätzung nicht richtig war, musste zwar jedem klar sein, der sich die Aachener Studie angesehen hatte (Int Arch Occup Environ Health 2016; 89: 1017–1024). Bei ihrer Publikation vor knapp zwei Jahren hatte sie auch keinerlei Anstoß erregt.

Doch als Sponsor fungierte die EUGT (Europäische Forschungsvereinigung für Umwelt und Gesundheit im Transportsektor), eine von der Autoindustrie finanzierte Forschungseinrichtung. Die EUGT hatte auch die Affenversuche in Übersee angeregt. So kam der Verdacht auf, dass in den USA mit Affen, in Deutschland aber sogar mit Menschen experimentiert worden sei, um den deutschen Dieselfahrzeugherstellern zu dienen.

Anderer Blickwinkel

Deshalb kamen nun Professor Thomas Ittel, Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender der Uniklinik RWTH Aachen, Professor Stefan Uhlig, Dekan der Medizinischen Fakultät und Professor Günther Schmalzing, Vorsitzender der Ethikkommission der Medizinischen Fakultät, um ihrem Kollegen beizustehen: dem Leiter der berüchtigten Studie, Professor Thomas Kraus, Direktor des Instituts für Arbeits-, Sozial und Umweltmedizin der RWTH Aachen. Aber auch, um die Fakten rund um die Aachener Studie zurechtzurücken.

Es habe sich in Aachen um eine Expositionsstudie gehandelt, wie sie in der Arbeitsmedizin üblich seien, versicherte Kraus. Ziel sei es gewesen, die Auswirkungen verschiedener Konzentrationen von NO2 zu untersuchen, die an Arbeitsplätzen, etwa bei Schweißarbeiten, auftreten können beziehungsweise dürfen.

 "Ich war selbstverständlich sehr überrascht über die Medienreaktion", sagte der Arbeitsmediziner. "Es war ein wohlbegründetes Studiendesign." Die Medienaufregung gebe es nur, "weil wir den gleichen Förderer hatten wie die Tierversuche in den USA".

EUGT-Verhalten "nicht absehbar gewesen"

Zum damaligen Zeitpunkt sei die EUGT ein Forschungsförderer mit hehren Zielen in der Satzung gewesen, so Kraus. "Jetzt, im Rückblick, ist das natürlich kritisch zu bewerten." Das unlautere Verhalten der EUGT im Dieselskandal sei damals aber nicht absehbar gewesen.

Zuvor schon hatte Klinikdirektor Ittel festgehalten, es gehe darum, Sachlichkeit und Faktenbasierung herzustellen. Ein Prüfbericht zum Sachverhalt sei fertig und werde dem nordrhein-westfälischen Ministerium für Kultur und Wissenschaft umgehend zugestellt.

"Mein Glaube an die öffentlichen Medien ist unerschüttert, dass es gelingt, durch eine objektive Berichterstattung mögliche Missverständnisse auszuräumen", sagte Ittel an die Vertreter dieser Medien gewandt.

Ein wenig Sorge mache ihm eine gewisse "hysterische Komponente" in den öffentlichen Berichten, wo Vorgänge verknüpft würden, die bei näherem Hinsehen wenig oder gar nichts miteinander zu tun hätten.

Bei der Konferenz anwesend war auch einer der Probanden der Aachener NO2-Studie, Georg Winkens, ein Physikstudent der RWTH. Er versicherte, es sei in der Studie alles mit rechten Dingen zugegangen. "Ich habe bis heute keine Nachwirkungen." Die Diskussionen um die Studie hält Winkens für überhitzt. "Man sollte die Kirche im Dorf lassen."(rb)

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