Viele Apotheken stehen auf schwachen Beinen

Kassenabschlag, Großhandelskonditionen, Packungs- größen: Die Stimmung in den Apotheken ist so schlecht wie lange nicht. Vor dem Hintergrund aktueller Umfragen und Betriebsvergleiche erläutert IfH-Bereichsleiter Dr. Markus Preißner, welche Probleme hausgemacht sind und wo sich Handlungsspielräume eröffnen.

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Dr. Markus Preißner verantwortet beim Kölner Instituts für Handelsforschung (IfH) unter anderem regelmäßige Apotheken-Betriebsvergleiche.

Dr. Markus Preißner verantwortet beim Kölner Instituts für Handelsforschung (IfH) unter anderem regelmäßige Apotheken-Betriebsvergleiche.

© Winnat

ApothekerPlus: Sie haben kürzlich von "großer Unsicherheit und Existenzangst in der Branche" gesprochen. Wie ernst ist die Lage wirklich?

Dr. Preißner: Die Ergebnisse unseres Apotheken-Konjunkturindex 'APOkix‘ zeigen zunächst, dass unter den Teilnehmern relativ viele Apotheker sind, die eher pessimistische Erwartungen hegen. Insbesondere konnten wir feststellen, dass der Anteil der Skeptiker in den vergangenen Monaten deutlich zugenommen hat. Viele Apotheker können die genauen Auswirkungen der jüngsten gesundheitspolitischen Eingriffe ihren Betrieb noch nicht absehen.

Aber unser aktueller Apotheken-Betriebsvergleich belegt auch objektiv, dass es vielen Apotheken schon heute schlecht geht. Wenn man betriebswirtschaftlich sauber rechnet und zur Gewinnermittlung etwa einen kalkulatorischen Unternehmerlohn oder eine kalkulatorische Miete ansetzt, dann sieht man, dass viele Apotheken wirtschaftlich auf schwachen Beinen stehen oder sogar rote Zahlen schreiben.

ApothekerPlus: Das durchschnittliche Betriebsergebnis ihrer Vergleichsteilnehmer ist 2009 von 0,8 auf 0,3 Prozent gesunken. Steht und fällt der Erfolg allein mit dem Standort oder fallen Ihnen innerbetriebliche Stellschrauben besonders auf, an denen man noch drehen müsste?

Dr. Preißner: Sowohl als auch. Jede Apotheke ist für ihre Rentabilität erst einmal selbst verantwortlich. Sie hat Ware zu beschaffen, muss Ressourcen sinnvoll einsetzen und Prozesse effizient organisieren. Die einen können das besser, die anderen schlechter. Da ist die Streuung in der Branche durchaus noch recht groß.

Es gibt aber auch immer mehr Standorte, die heute zu besetzen, rein ökonomisch gesehen kaum mehr Sinn macht. Da ist das Einzugsgebiet zu klein oder es sind zu wenige Verordner in der Nachbarschaft. Aus diversen Gründen hat sich in den vergangenen Jahren die Zahl der Betriebe trotzdem nicht dramatisch verringert.

Dazu hat sicherlich die Filialisierung einen Teil beigetragen. Zwar tun sich auch viele Filialapotheken mit der Rentabilität schwer, doch lassen sich mit einer starken Stammapotheke im Rücken Schwächen eher kompensieren. Außerdem haben inhabergeführte Geschäfte einfach einen längeren Atem als beispielsweise Filialen im Lebensmittel- oder Drogeriemarkt. Im filialisierten Einzelhandel wird prinzipiell schneller entschieden, ob ein Standort lukrativ ist oder nicht.

ApothekerPlus: Sie haben betriebswirtschaftliche und konzeptionelle Schritte zur Positionierung der Apotheke im Gesundheitswesen gefordert, um deren Rentabilität zu sichern. Könnten Sie das konkretisieren? - In einer Mitteilung des IfH war die Rede von politischen Maßnahmen, Maßnahmen in der Apotheke und Visionen zur zukünftigen Positionierung der öffentlichen Apotheke im Gesundheitssystem.

Dr. Preißner: Im Hinblick auf die politischen Maßnahmen leisten die Standesvertretungen trotz der oftmals turbulenten Ereignisse und Kehrtwendungen innerhalb der Branche gute Arbeit. Die notwendigen Maßnahmen in der Apotheke umfassen einerseits die schon angesprochene kaufmännische Ebene, andererseits die Position als Heilberufler.

 Hier liegt das größte Potenzial. Am erfolgreichsten werden die Apotheken sein, die beide Rollen gerne und geschickt spielen.

Zur Positionierung gibt es zwei Perspektiven. Die langfristige lautet, welche Rolle will die Apotheke in zehn oder zwanzig Jahren bei der Arzneimittelversorgung einnehmen? Die andere ergibt sich aus der alltäglichen Frage jedes Apothekers, welche Position er für sich als eigenständiger Anbieter an einem ganz bestimmten Standort einnehmen will und angesichts der Standortsituation einnehmen sollte.

Dabei kommt es darauf an, dass die selbst gewählte Positionierung auch von den Kunden wahrgenommen wird.

ApothekerPlus: Wo sehen Sie denn die Apotheke in zwanzig Jahren - als bessere Drogerie oder als Lotse durch mehr oder weniger integrierte Versorgungsstrukturen?

Dr. Preißner: Die Apotheken haben ja schon heute einen Versorgungsauftrag und die Verantwortung für die Arzneimittelsicherheit. Daher bieten sich Themen wie Compliance oder integrierte Versorgung an und sind auf jeden Fall stärker zu besetzen.

 Der Apotheker ist derjenige, der wohnortnah mit dem Patienten am schnellsten in Kontakt kommt, derjenige, der sich auch noch die Zeit nimmt, mit Patienten ausführlich zu reden. Gerade im Bereich der Selbstmedikation sind Apotheker ja schon heute die zentrale Anlaufstelle und diejenigen, die den Patienten einen Arztbesuch nahelegen, wenn sie den Eindruck gewinnen, dass die Grenzen der Selbstmedikation überschritten werden. Unsere jüngste Studie belegt dies eindrucksvoll.

ApothekerPlus: Zwei Drittel der Apotheker in Ihrem Konjunkturindex benoten die Leistungen der Standesvertreter mit mangelhaft oder ungenügend. Halten Sie diese Kritik für gerechtfertigt? Wie erklären Sie sich diese große Unzufriedenheit?

Dr. Preißner: Aus der aktuellen Stimmung heraus kann ich nachvollziehen, dass viele so geantwortet haben. Überrascht hat es mich dennoch. Ich hätte nicht so schlecht geurteilt, denn die Standesvertreter waren doch auch während des Gesetzgebungsverfahrens zum AMNOG sehr engagiert.

Gerade auf regionalpolitischer Ebene haben die Verbände keine Gelegenheit ausgelassen, sich bei den Abgeordneten für die Interessen der Individualapotheke einzusetzen. Dieses Engagement, großteils von Ehrenamtlern, war sicherlich nicht jedem Apotheker bewusst, als er dieses negative Urteil gefällt hat.

Das Gespräch führte Christoph Winnat

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