Blutkonserven und Arzneien

An die Drohne – fertig, los!

Ruanda als Weltvorreiter in der Digitalisierung: Im ostafrikanischen Land kommen Drohnen zum Einsatz, die Kliniken mit Blutkonserven und Medikamenten versorgen.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Eine Drohne wird in Ruanda mit einer Blutkonserven-Transportbox bestückt.

Eine Drohne wird in Ruanda mit einer Blutkonserven-Transportbox bestückt.

© Kristin Palitza / dpa

KIGALI. Ruanda? Für viele Vertreter der Millenials – der nach der Jahrtausendwende Geborenen – in Deutschland dürfte das ostafrikanische Land eher eine Unbekannte sein. Für die älteren Generationen in Deutschland ist Ruanda wahrscheinlich mehrheitlich Exempel für die teils archaische Brachialität, mit der auf dem afrikanischen Kontinent immer wieder ethnische Konflikte gelöst wurden.

So gipfelte der Konflikt zwischen den Volksgruppen der Hutu und Tutsi 1994 im Genozid radikaler Hutus, dem etwa 800.000 ethnische Tutsi und gemäßigte Hutu zum Opfer fielen. So weit, so schlecht.

Nun könnte die Digitalisierung des Gesundheitswesens dazu beitragen, das schlechte Image Ruandas aufzupolieren – mittels disruptiver Transporttechnik. Die Zeichen stehen derzeit recht gut, dass die Millenials in Deutschland dann Ruanda kennenlernen – als Pionier der flächendeckenden Versorgung von Kliniken mit Arzneien und Blutkonserven via Drohnen. Denn der seit 19 Jahren von Präsident Paul Kagame regierte ostafrikanische Staat strengt sich an, dieses Innovationspotenzial auszuschöpfen.

Wie es vor Kurzem beim kontinentalen Weltwirtschaftsforum in Kapstadt hieß, sei Ruanda der einzige Staat weltweit, der – dank entsprechender regulatorischer Rahmenbedingungen – flächendeckend auf den Einsatz von Transportdrohnen setzt. So auch im Gesundheitswesen.

Das kommt nicht von ungefähr, da das Land der Tausend Hügel über eine denkbar schlechte Verkehrsinfrastruktur verfügt, asphaltierte Straßen eher die Ausnahme sind. Besonders während der heftigen Regenmonate können zum Beispiel dringend benötigte Medikamenten- oder Blutkonserventransporte via Lkw Tage dauern – Zeit, die über Leben und Tod entscheiden kann.

Im Schnitt 30 Minuten Lieferzeit ab Bestellung

Dieses Zeitfenster möglichst klein zu halten, hat sich der US-amerikanische Drohnenspezialist Zipline auf die Fahne geschrieben. Seit nunmehr drei Jahren betreibt er in Ruanda zwei Drohnenstützpunkte – einen in der Hauptstadt Kigali sowie einen in der Bezirkshauptstadt Muhanga. Die doppelte Infrastruktur soll die Betriebsfähigkeit garantieren, fiele an einem Hub zum Beispiel der Strom aus.

Nach Unternehmensangaben können an das Verteilungssystem angeschlossene Kliniken und andere Gesundheitseinrichtungen rund um die Uhr Blutkonserven, aber auch Medikamente bestellen – telefonisch, via E-Mail oder auch WhatsApp.

Unter Einhaltung der Kühlkette dauere es von der Bestellung bis zur Anlieferung via Drohne im Schnitt etwa 30 Minuten. Nach der Klinik-Order packe das Personal die Blutkonserven oder Medikamente in eine entsprechend gesicherte Box, die mit einem Fallschirm verbunden ist.

Eine Drohne werde vom Halter geholt, mit der maximal 1,8 Kilogramm schweren Fracht bestückt, mit Flügeln sowie Batterie versehen. Dann gehe es für die Drohne auf die Abschussrampe und im GPS-gesteuerten Flug direkt zum Ziel. Der Abwurf der Transportbox erfolge ebenfalls GPS-gesteuert.

Eine Drohne hat laut Zipline einen Dienstleistungsradius von etwa 80 Kilometern – bei einer Höchstgeschwindigkeit von 100 Kilometern je Stunde. Durch die Flügeltechnik sei sie flexibler als zum Beispiel Quadrokopter-Drohnen. Eine Drohne könne zum Beispiel bis zu drei Blutkonserven transportieren – bei fast jedem Wind und Regenwetter.

Schnelle Hilfe bei postpartalen Blutungen

Wie Zipline berichtet, hätten durch seine Drohnen bereits Hunderte von Frauen mit dringend benötigten Blutkonserven zur Infusion nach postpartalen Blutungen versorgt werden können – dies betreffe auch Patientinnen mit seltenen Blutgruppen.

So habe die Müttersterblichkeit drastisch reduziert werden können – Zahlen nennt Zipline nicht. Ebenfalls habe man die notwendigen Blutkonserven für die Transfusion bei Kindern mit Malaria geliefert. Nach diesen Erfahrungen fange das Unternehmen nun an, eine solche Drohnen-Infrastruktur zur medizinischen Versorgung auch in Ghana aufzubauen.

Für das Weltwirtschaftsforum (WEF) steht Ruanda nun für eine vorausschauend denkende Regierung, die die Chancen einer Zukunft auf Basis disruptiver Technologien erkannt hat.

Belohnt werden soll das Land mit einem Drohnenforum, das das WEF im Februar nächsten Jahres zusammen mit der Weltbank und dem britischen Entwicklungsministerium ausrichten will. Andere Staaten sollen so für den Drohnen-Einsatz begeistert werden.

Auch DHL hat getestet

Die Afrikanische Union hatte Drohnen 2018 als Vorrang-Technologie für den Kontinent bezeichnet. Auch der deutsche Anbieter DHL hat in Afrika schon Drohnen für die medizinische Versorgung entlegener Gebiete getestet.

In dem gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und dem Hersteller Wingcopter im Auftrag des Bundesentwicklungsministeriums aufgesetzten Pilotprojekt „Deliver Future“ hat DHL über sechs Monate hinweg die Lieferung von Medikamenten per Drohne auf eine Insel im Viktoriasee erprobt.

Im Dezember wurde im Südpazifik die weltweit erste, von einer Drohne ausgelieferte Vakzine appliziert. Nicht nur Afrika hat das Zukunftsthema Drohnen entdeckt.

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