Digitaler Gesundheitssektor

App-Branche macht Spahn Druck

In einem „Manifest für die Digitalisierung im Gesundheitssektor“ fordern 47 Unternehmen aus der App-Branche, dass sich Deutschland stärker für digitale Innovationen öffnet. Auch die Kassen müssten sich bewegen.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Präsentation auf dem Tablet. Diana Heinrichs übergibt Gesundheitsminister Jens Spahn das „Manifest für die Digitalisierung im Gesundheitssektor“.

Präsentation auf dem Tablet. Diana Heinrichs übergibt Gesundheitsminister Jens Spahn das „Manifest für die Digitalisierung im Gesundheitssektor“.

© Anno Fricke

Berlin. Mehr Spielräume für die digitale Entwicklung des Gesundheitssektors fordert die Gesundheits-App-Branche. „Deutschlands digitale Gesundheitsunternehmen brauchen eine Aufsicht mit Augenmaß, die uns konstruktiv dabei begleitet, Menschen zu helfen, und zwar effizient und in einem vertretbaren Zeitrahmen“, heißt es in einem am Montag verbreiteten „Manifest für die Digitalisierung im Gesundheitssektor“.

Unterzeichnet haben Manager von 47 Unternehmen, darunter Betreiber bekannter Gesundheits-Apps wie der Symptom-Checker Ada Health, die Gesundheitsakte Vivy, die Therapie-App Selfapy und die Diabetes-App mySugr. Die Unternehmen haben am Montag gleichzeitig einen „Spitzenverband Digitale Gesundheitsversorgung“ gegründet. Das Manifest ist Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Montag in Berlin übergeben worden.

Darin heißt es weiter, die Krankenkassen müssten sich zu aktiven, schnellen und konsequenten Partnern bei der Digitalisierung entwickeln. Dafür brauche es klare Kriterien, zum Beispiel für den Zugang zur Kassenfinanzierung von digitalen Anwendungen in der Regelversorgung.

Kein Totschlag-Argument!

Digitale Innovation im Gesundheitswesen benötige ein System, dessen Normalfall nicht länger kurzlebige Modellprojekte und Machbarkeitsstudien seien, sondern Möglichkeiten für die schnelle Skalierung guter Produkte.

Der „an sich wichtige und richtige Datenschutz“ dürfe nicht länger als Totschlag-Argument zur Wahrung von Besitzständen dienen.

Die Beharrungskräfte des Systems hätten zu lange schon verhindert, dass digitale Lösungen Eingang in den ersten Gesundheitsmarkt fänden. Andere Länder hätten Deutschland deshalb auf diesem Gebiet abgehängt.

Deutschland soll Vorreiter werden

Dass es in Deutschland in den Ländern 16 Datenschutzbeauftragte und jeweils unterschiedliche Regelungen gebe, könne er nicht abstellen, musste Spahn an dieser Stelle der versammelten Start-up-Szene mitteilen.

Die Verfasser betonen, dass sich nicht die Innovation dem starren System anpassen, sondern das System sich im Sinne des Patientenwohls der Innovation öffnen müsse. Es gebe noch die einmalige Chance, Deutschland von einem „Zu-Spät-Kommer“ zu einem Vorreiter von Digital Health und Künstlicher Intelligenz zu machen.

Dabei gehe es nicht um eine ferne Zukunft, sondern um das Hier und Jetzt. Digitale Gesundheitsangebote aus Deutschland würden heute schon „von Millionen Menschen hierzulande genutzt und geliebt“.

Alternativen zu Großkonzernen

Statt dass „irgendwann Großkonzerne aus dem Ausland das Gesundheitswesen überrollen“, solle sich Innovation aus Deutschland heraus entfalten können. Die Verfasser des Manifests loben dementsprechend den Entwurf des Digitale-Versorgung-Gesetzes (DVG) und den von Gesundheitsminister Spahn ins Leben gerufenen Health Innovation Hub.

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Der angesprochene Minister kündigte für die EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2020 eine Initiative für einen europäischen Digitalisierungsrahmen an. Deutschland müsse nicht zwangsläufig bei „Apple-Health“ oder „Alibaba-Health“ enden.

70 Millionen Versicherte mit Zugang zu Apps – „weltweit einmalig“

„Wir werden weltweit etwas Einmaliges haben, wenn mit dem DVG 70 Millionen Versicherte Zugang zur ärztlichen Verordnung von Apps haben“, zeigte sich Gesundheitsminister Spahn bei der Übergabe des Manifests optimistisch. Der Minister verwies darauf, dass das Vorhaben Work-in-Progress-Charakter habe.

Es könne durchaus passieren, dass in zwei, drei Jahren Anpassungen des Gesetzes nötig werden. Auch die elektronische Patientenakte werde zum Start 2021 nicht perfekt sein.

Auch in anderer Hinsicht werde die Digitalisierung die Versorgung stark verändern. Die Online-Sprechstunde werde mit den neuen EBM-Nummern in den kommenden Jahren mehr Dynamik entfalten, als selbst die verfasste Ärzteschaft sich derzeit vorstellen könne.

Grundsätzlich gehöre der Gesundheitssektor zu den am stärksten regulierten Politikbereichen überhaupt, sagte Spahn. „Hier stößt Innovation auf die Regulierungswelt.“ Alle Beteiligten müssten an ihren Einstellungen arbeiten. Der Wissensstand dazu sei unterschiedlich.

Der Beitrag wurde aktualisiert am 21.10.2019 um 16:23 Uhr.

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