Ein Testlabor für medizinische Apps

Wie können Tablet-PC und Smartphones in der Medizin sinnvoll eingesetzt werden? An der Medizinischen Hochschule Hannover entwickelt eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe Applikationen für den medizinischen Alltag.

Christian BenekerVon Christian Beneker Veröffentlicht:
Sucht nach Anwendungsmöglichkeiten von Apps in Klinik- und Praxisalltag: die MedAPP Lab-Gruppe in Hannover unter der Leitung von Urs-Vito Albrecht und Institutsdirektor Professor Herbert Matthies (beide vorne im Bild)

Sucht nach Anwendungsmöglichkeiten von Apps in Klinik- und Praxisalltag: die MedAPP Lab-Gruppe in Hannover unter der Leitung von Urs-Vito Albrecht und Institutsdirektor Professor Herbert Matthies (beide vorne im Bild)

© C. Beneker

HANNOVER. In Hannover testet eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe an der Medizinischen Hochschule, was in Zukunft Tablet-PC und Smart-phones in Klinik und Praxis dazu beitragen könnten, die Versorgung zu verbessern. Die MedAPPLab-Gruppe besteht seit Jahresbeginn. Sie hat mehrere Applikationen für die medizinische Anwendung entwickelt. Außerdem diskutiert sie rechtliche Fragen und prüft die Akzeptanz der neuen Technik.

App für mobiles Lernen simuliert Verletzungen

Die Gruppe residiert am kleinen Peter Ludwig Reichertz Institut (PLRI) an der MHH, das hier im Gebäude der theoretischen Institute gerade mal drei Räume belegt. Aber die Gruppe hat große Ideen.

Zum Beispiel "mARble", eine mehrfach preisgekröntes App für mobiles Lernen. Urs Vito Albrecht, Leiter der AG, legt sich einen schwarz-weiß markierten Papierschnipsel auf den Handrücken und hält sein Smartphone darüber.

Reale Umgebung mit virtuellen Informationen angereichert

"So wird die reale Umgebung mit zusätzlichen virtuellen Informationen angereichert", erklärt Albrecht, "wir sprechen hier von "augmented reality". Die Anwendung dient der medizinischen Lehre, Studierende sollen das dargestellte Verletzungsbild erkennen lernen.

Zusätzlich sind in der Software Informationen und Fragen eingefügt, die der User abrufen kann. mARBle kann in der Rechtsmedizin ebenso wie in der Dermatologie angewendet werden, sagt Albrecht.

Die Arbeitsgruppe wählte diesen Weg, um ethische Probleme zu umgehen, die immer dann in der Lehre auftauchen, "wenn Studierende in für den Patienten belastende und intime Situationen involviert werden.

" Eine andere App dient der Sturzprävention, unter anderem bei Parkinson-Patienten. "So kann der Patient zum Beispiel über das Smartphone seine typische Schrittfrequenz kalibrieren", erklärt Albrecht. "Das Gerät gibt dann mit einem regelmäßigen Piepton die gewohnte Schrittfolge vor und erleichtert es dem Patienten damit, zu gehen."

Auch hier plant die Arbeitsgruppe Studien zur Akzeptanz der Technik bei den Patienten. Die Zusammenarbeit der AG-Mitglieder gibt es schon länger, aber Anfang des Jahres erst hat sich die Gruppe offiziell gegründet.

"Anlass ist die immer stärker werdende Nutzung von Tablet-PC in der Medizin, nachdem sie auch im Consumerbereich bei Ärzten sehr populär geworden sind", erklärt Albrecht, der von Hause aus Rechtsmediziner ist. MedAPPLab vereint Experten unterschiedlichster Fachrichtung an einem Tisch, auf dem iPhones und iPads so selbstverständlich herumliegen, wie auf anderen Arbeitstischen Kugelschreiber: zum Beispiel einen Hygieniker, einen Juristen, oder einen Spezialisten für Pflegefragen und Öffentlichkeitsarbeit.

Auch über rechtliche Fragen wird diskutiert

Neben immer neuen Apps arbeiten die Mitglieder auch an juristischen Fragen. "Ab wann fällt eigentlich eine APP-Anwendung unter das Medizinproduktegesetz?", fragt der Jurist der Runde, Oliver Pramann. Wenn sie eine medizinische Prozedur auslöst.

"Das bedeutet, wenn es in diesem Zusammenhang eine Panne gibt, ist man juristisch nur dann auf der sicheren Seite, wenn das Gerät eine CE-Zertifizierung hat."

Die aktuellen Entwicklungen der AG dürften allerdings keine Zertifizierung erfordern. Auch nicht das Übersetzungsprogramm für Situationen in der Klinik, wo kein Dolmetscher zur Verfügung steht.

Japanische Patienten etwa können dann auf dem iPad einen von Dutzenden festgelegten Phrasen von Arzt - Patienten- Dialogen auf dem Display in ihrer Sprache antippen und das Sprachprogramm übersetzt automatisch auf Deutsch, und es spricht den Text auch aus.

So versteht etwa ein Notarzt oder die Pflegekraft das Wesentliche vom Problem des Patienten, auch wenn kein Dolmetscher in der Nähe ist. Die Antwort geht den umgekehrten Weg: antippen auf Deutsch, aussprechen auf Japanisch.

"Die Akzeptanzprüfung auf Station hat ergeben, dass Pflegende und Patienten gerne mit dem Gerät umgehen - allerdings brauchen die Pflegekräfte Zeit - sowohl, um die Anwendung zu lernen, als auch, um sie anzuwenden", sagt Albrecht.

Die Zukunft der Apps sieht die AG auch in den Praxen zum Beispiel der Hausärzte. "Wir haben schon alle Studierenden gefragt, inwieweit sie Tablet-PCs und Smartphones und gegebenenfalls welche Apps sie nutzen", sagt "Albrecht, "diese Umfrage wollen wir auch auf die Niedergelassenen Ärzte ausweiten. Wir haben bereits Kontakt mit der KV Niedersachsen aufgenommen."

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