Telemedizin und Co.

Digitalisierung bestimmt bald den Behandlungsalltag

Künftig wird nicht mehr die Kausalität, sondern die Korrelation von Daten das Handeln in der Medizin bestimmen, prognostiziert ein Innovationsexperte.

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MÜNCHEN. Die Digitalisierung hat auch die Gesundheitsversorgung längst erfasst. "Doctor Google ist da und wird auch bleiben", sagte der Hamburger Trend- und Innovationsberater Torsten Rehder.

Darauf sollten sich die Ärzte in den Praxen und in den Kliniken einstellen. Rehder sprach auf der Winterkonferenz der Bayerischen TelemedAllianz in München. Die Veranstaltung wurde unterstützt vom Pharmaunternehmen Berlin-Chemie.

Wie viele andere Branchen stehe auch das Gesundheitswesen vor einer digitalen Transformation, erklärte Rehder. Getrieben wird diese Entwicklung von den eigenen Nutzungsgewohnheiten, von Unternehmen wie Google und Co, deren Wertschöpfung datenbasiert ist, sowie von einer allgegenwärtigen Technik, die den digitalen Lebensstil mit allumfassenden Kommunikations- und Informationsmöglichkeiten erst ermöglicht.

Aktuell verzeichnet Google pro Tag weltweit 288 Millionen gesundheitsbezogene Suchanfragen, berichtete Rehder. Dass Patienten vor einem Arztbesuch zunächst ins Internet gehen, um sich zu informieren, sei inzwischen üblich. Zunehmend häufig werde das Internet aber auch nach dem Arztbesuch konsultiert, um zu sehen, ob der Arzt auch alles "richtig" gemacht hat, so Rehder.

"Talk with the doctor"

Um Gesundheitsinformationen noch besser aufzubereiten, arbeite Google in den USA inzwischen mit der Mayo-Klinik zusammen. Dort werde auf den Google-Seiten zu entsprechenden Suchanfragen derzeit ein Button "Talk with the doctor" getestet, der einen Link zu einem Video-Chat mit einem Arzt herstellt.

"Google, Apple und Co sind relevante Player im Markt, die man keinesfalls unterschätzen darf", erklärte Rehder. Mit dem Health-Kit auf dem iPhone unternehme Apple nach dem gescheiterten Versuch von Google in 2011 einen neuen Anlauf, eine elektronische Gesundheitsakte zu etablieren.

Wenn die selbsterhobenen Daten aus Bewegungs-, Ernährungs- und Schlafprofilen, kombiniert mit Blutdruckwerten und anderen Messwerten, zusammengeführt werden, entstehe ein schlüssiges Bild, das sogar für Wissenschaftler von Interesse ist.

Erste Kliniken und Praxen in den USA integrieren bereits die von Apple-Nutzern gesammelten Gesundheitsdaten in ihre Arbeit. Und über ein Research-Kit, das Apple zusammen mit dem Health-Kit herausgebracht hat, sei es Wissenschaftlern der Universität in Stanford bereits gelungen, innerhalb eines Tages 10.000 Teilnehmer für eine Studie zu gewinnen.

Es schafft Mehrwert

Nach Rehders Ansicht schafft die digitale Transformation einen zusätzlichen Mehrwert, indem beispielsweise telemedizinische Leistungen auch außerhalb von Praxen und Kliniken und rund um die Uhr verfügbar werden. Zwar seien Experten auch in Zukunft noch wichtig. "Sie werden aber nicht mehr an erster Stelle stehen", so Rehder.

Künftig werde nicht mehr die Kausalität, sondern die Korrelation von Daten das Handeln in der Medizin bestimmen, erklärte Rehder mit Hinweis auf die Schauspielerin Angelina Jolie.

Die Schauspielerin sei behandelt worden, weil alle ihre Daten darauf hinwiesen, dass sie an Brustkrebs erkranken werde. "Wir werden handeln, bevor wir handeln müssen", sagte Rehder. Statt Symptombekämpfung werde künftig eine proaktive Gesundheitsversorgung im Vordergrund stehen.

Die digitale Transformation biete auch für die Arztpraxen erhebliche Potenziale. Dass alles und jeder, also auch Ärzte, bewertet wird, könne man nicht mehr einfach ignorieren.

Man sollte aber auch die Vorteile von Arztportalen sehen, wie die OnlineBuchung von Behandlungsterminen, was die organisatorischen Abläufe in den Praxen vereinfachen werde.

Die Digitalisierung sollte auch für den kollegialen Austausch genutzt werden, empfahl Rehder. Über Sermo.com, ein soziales Netzwerk in den USA für Ärzte, das, wie berichtet, in Deutschland noch nicht verfügbar ist, seien weltweit schon jetzt mehr als 500.000 Ärzte verlinkt, die sich regelmäßig fachlich austauschen. (sto)

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