Prävention

Kurzes Herzstolpern? – Per App wissen Arzt und Patient mehr

Mit dem Handy-Blitzlicht dem Vorhofflimmern auf der Spur: Eine neue App soll Ärzten bei der Diagnostik helfen. Ziel ist es, das Schlaganfall-Risiko zu verringern.

Kerstin MitternachtVon Kerstin Mitternacht Veröffentlicht:

JENA. Den Arm ruhig auf den Tisch legen, Kameralinse des Smartphones auf den vorderen Teil des kleinen Fingers positionieren, und schon legt die App "Preventicus Heartbeats" los und misst den Herzrhythmus. Das technische Prinzip dahinter: Durch Einstrahlung des Smartphone-Blitzlichtes in die Fingerkuppe und Filmen der Pulswelle mit der Kamera, ist mit modernsten signalanalytischen Methoden eine präzise Herzrhythmusanalyse möglich. Die App soll auf diese Weise Vorhofflimmern erkennen.

Wenn der Patient eine Auffälligkeit bei seinem Herzschlag bemerkt, kann er mit seinem Smartphone sofort den Test machen. Bei positivem Befund werden die Patienten gewarnt – was Schlaganfälle verhindern soll.

"Die Schlaganfallprävention treibt mich schon lange um", sagt Dr. Thomas Hübner, Gründer und Geschäftsführer des Unternehmens Preventicus. "Als die Pulsmessung per App vor einigen Jahren aufkam, kam mir die Idee, dass sich auch der Herzrhythmus mit Smartphone oder Smartwatch analysieren lassen müsste."

95 Prozent Genauigkeit

Von der Idee bis zur Umsetzung habe es dann aber einige Jahre gedauert, denn es sei nicht nur technisch eine Herausforderung gewesen, sondern es waren auch klinische Studien und Publikationen erforderlich, damit die App als zertifiziertes Medizinprodukt für das Screening des Vorhofflimmerns zugelassen wurde. "Unsere App erfüllt sehr hohe klinische wie auch Qualitätsnormen, die in etwa vergleichbar mit der Qualitätsklasse von EKG-Geräten sind", erklärt Hübner. "Zudem führen wir fortlaufend multizentrische, kontrollierte Studien durch." In einer Studie der Universitätsklinik Basel sei eine Erkennungsgenauigkeit von 95 Prozent ermittelt worden, heißt es. Ein wissenschaftlicher Beirat aus Kardiologen unterstütze in Forschung und Entwicklung.

Von der App gibt es eine kostenfreie Version, die mit einem Kurztest den Herzrhythmus analysiert. "Für 25 Euro im Jahr gibt es eine Version, die länger und somit genauer misst sowie die Daten in EKG-vergleichbare PDF-Dokumente umwandelt, die der behandelnde Arzt dann auch auswerten kann", erläutert Hübner.

Ab März könnten sowohl Anwender wie auch Ärzte durch einen medizinisch-technischen Teleservice unterstützt werden, der von einem Ulmer Kardiologenteam organisiert wird. Ergebnisse und Auffälligkeiten würden hier von spezialisiertem Personal validiert und mögliche Fehlmessungen identifiziert. "Bestätigt das Team die gemessenen Werte und kann eine Fehlmessung ausgeschlossen werden, wird eine ausführliche Bewertung in die App zurückgespielt", erklärt Hübner, der Diplom-Ingenieur für Medizintechnik ist und einen Doktor in Gesundheitswissenschaften hat. Der Nutzer könne dann den Rhythmusreport und die ausführliche Bewertung ausdrucken und seinem Arzt zeigen.

Die App könnte auch von Krankenkassen genutzt werden, so Hübner. Die Kassen könnten sie beispielsweise Versicherten mit erhöhten Risikomerkmalen anbieten. "Ein Krankenkassen-Mitglied könnte die App dann beispielsweise ein Quartal lang regelmäßig nutzen".

Hierfür gebe es auch eine Erinnerungsfunktion. Das Mitglied bekomme einen Code zum Freischalten der App und des Teleservice, zudem gebe es ein Informationsschreiben an Haus- und Facharzt, so Hübner.

Vorteile gegenüber 24-Stunden-EKG

Mit Preventicus Heartbeats lasse sich Vorhofflimmern besser screenen als mit einem 24-Stunden-Langzeit-EKG, ist der Firmengründer überzeugt. "Vorhofflimmern tritt oft nur sporadisch auf; die Chance, es einzufangen, ist einfach größer, wenn man intermittierend über einen längeren Zeitraum misst, als mit einer einmaligen 24-Stunden-Messung, wie Studien gezeigt haben".

Die erste private Krankenversicherung biete die App bereits ihren Versicherten an, auch mit mehreren gesetzlichen Krankenkassen würden derzeit Gespräche geführt. Die Daten der Nutzer würden dabei nach höchstmöglichen Standards geschützt. Die Server stünden in einem deutschen Rechenzentrum.

App als Arzt-Unterstützer

Bei allen neuen technischen Möglichkeiten arbeite Preventicus unter der Prämisse, dass "der behandelnde Arzt immer die Oberhand hat, Preventicus fungiert nur als Unterstützer", so der Firmengründer. Ärzte müssten auffällige Screening-Ergebnisse noch einmal mittels EKG-Langzeit-Messung oder mit einem Event-Recorder bestätigen, erst dann komme es zu einer Behandlung. Es finde auch keine Fernbehandlung statt. Vielmehr könnten Risikopatienten, die sonst "unter dem Radar laufen", früher identifiziert werden. "Somit kann etwa ein Viertel aller erstmaligen Schlaganfälle verhindert werden", sagt Hübner. Die Versorgung von Patienten mit Vorhofflimmern sei lückenhaft, und es habe bisher kein flächendeckendes und kosteneffektives Screeningverfahren für Risikopatienten gegeben. Derzeit nutzten 23.000 Patienten die App regelmäßig.

In Realisierung sei bereits, dass Preventicus Heartbeats in die Praxissoftware-Lösung medatixx integriert werde. "Die von der App oder vom Teleservice generierten Reports können dann direkt und verschlüsselt in die Praxissoftware des Arztes versendet und in der Karteikarte des Patienten gespeichert werden." Vorgestellt werde dies auf der conhIT Ende April. "Mit dieser Kooperation soll nicht nur die Reichweite bei niedergelassenen Ärzten ausgebaut werden", sagt Hübner. "Es geht insbesondere darum zu zeigen, dass realer medizinischer Mehrwert aus dem Consumer Health kommen und in professionelle medizinische Strukturen integriert werden kann."

Weitere Informationen: preventicus-heartbeats.com

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