Big Data

In Israel bereits Teil der Gesundheitsversorgung

In Israel nutzen Forscher Patientendaten im großen Stil, um das Gesundheitssystem zu optimieren. Ärzte geben dort Daten in eine einheitliche Anwendung ein. Die Auswertung der Informationen soll Unter-, Fehl- und Übertherapie vermeiden.

Von Christina Bauer Veröffentlicht:
Daten für den Doktor: In Israel bildet Big Data die Behandlungsrealität ab.

Daten für den Doktor: In Israel bildet Big Data die Behandlungsrealität ab.

© everythingpossible / fotolia.com

MÜNCHEN. Für deutsche Ärzte ist Big Data heute in aller Regel noch Zukunftsmusik, für Kollegen in Israel allerdings ein gewohnter Bestandteil des Versorgungsalltags. Beim diesjährigen Kongress der Stiftung Münch gab Professor Ran Balicer jüngst Einblicke in die dortige Versorgungsforschung und das israelische Gesundheitssystem, in dem Big Data Anwendungen schon integriert sind. Balicer ist Gründungsdirektor des Clalit Research Institute (CRI) und leitet dort die Abteilung Gesundheitspolitikplanung. Das CRI ist die größte Organisation des israelischen Gesundheitswesens und laut Balicer entfernt vergleichbar mit den deutschen Krankenkassen. Ärzte, Epidemiologen, Datenforscher und Statistiker arbeiten dort eng zusammen.

steht für das Sammeln und Auswerten großer Datenmengen mit moderner Informationstechnologie.

verspricht im Gesundheitswesen die Diagnose und Therapie zu verbessern, weil sie auf einer breiteren und spezifischeren Informationsgrundlage erfolgen kann.

ist umstritten da es Bedenken beim Thema Datensicherheit und Datenmissbrauch gibt.

Die Auswertung enormer Datenmengen über Symptome, Diagnosen und Krankheitsverläufe soll ermöglichen, Patienten besser zu helfen. Therapien sollen genauer werden, wirksamer und dabei auch noch preiswerter. Der unterschiedliche Umgang mit Big Data im Gesundheitswesen hat mit technologischen Möglichkeiten zu tun, aber auch mit der Gewichtung von Gegenargumenten. Gerade Datenschutzprobleme und Missbrauchsgefahr führen vielerorts zu Skepsis. Das gilt gerade in europäischen Ländern. Im israelischen Gesundheitssystem ist das anders.

Alltäglicher Umgang mit Big Data

Big Data ist als Informationsquelle eine Selbstverständlichkeit in Israel. Patientendaten aus Kliniken werden landesweit erhoben und ausgewertet. Allerdings, so Balicer, ist ein solcher Umgang mit privaten Informationen dort alltäglich. Bürger nutzen ihre persönliche ID-Karte für alles, beispielsweise auch zum Einkaufen. Bedenken habe deswegen niemand. Somit verfügen die israelischen Gesundheitsbehörden über Daten, angesichts derer europäische Versorgungsforscher wohl erblassen würden. Der technologische Rahmen ist entsprechend gut ausgebaut.

Es gibt eine einheitliche Software, in die Ärzte ihre Daten eingeben, und ein einziges Datenlager, wo alle Informationen landen. Die so gesammelten Datensätze, so Balicer, kämen einer besseren Versorgung zugute. Im Gegensatz zu kontrollierten Studien bildeten sie die Behandlungsrealität ab. Es sei eine Vielfalt von realen Krankheitsverläufen enthalten, die keine Studie jemals erheben könne. Außerdem würden oft vernachlässigte Aspekte wie Adhärenz und Multimorbidität automatisch mitberücksichtigt. Die Erkenntnisse tragen dazu bei, individuell geeignete Therapien anzubieten. Dadurch sollen Unter-, Fehl- und Übertherapien vermieden werden, ebenso wie damit verbundene unnötige Kosten.

Als Beispiel nannte Balicer Auswertungen zur Therapie mit Statinen. Es habe sich gezeigt, dass ein LDL-Zielwert von 90 das beste Ergebnis bringe. Einen geringeren Wert zu erreichen, verhelfe den Patienten auch nicht unbedingt zu einem Vorteil. "Diese Antwort ist eine Billion Dollar wert, in jedem Gesundheitssystem", betonte Balicer. Er und seine Kollegen bemühen sich, solche Ergebnisse direkt in die Versorgung einfließen zu lassen. Das sei ohne Weiteres innerhalb weniger Monate möglich. Notwendig sei aber eine entsprechende Vernetzung, Koordination und Kooperation. Der Informationsfluss zwischen dem CRI und Kliniken sei schnell.

Community Nurses helfen Patienten

Hoch eingestuft werde außerdem die Prävention. Die Versorgungsdaten bringen auch Erkenntnisse über Risikofaktoren für negative Behandlungsverläufe. So müsse eine patientenzentrierte Versorgung auch pro-aktiv sein. Das übernehmen in Israel Community Nurses, die Patienten von sich aus kontaktieren und für deren Nachfragen da sind. Einer Auswertung zufolge führte das unter anderem zu einer Verringerung stationärer Neuaufnahmen um zehn Prozent. Insgesamt setze der Staat für die Ärzte den Anreiz, Patienten gesund zu erhalten. Sie gerieten nie in eine Verkäufer-Situation, da ihr Budget festgelegt sei und nicht nach Krankheitslast unterscheide. "Wenn die Patienten gesund sind und nicht in Behandlung kommen, ist das gut", konstatierte Balicer. "Dann haben wir mehr Geld."

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