Ärztliche Dokumentation

E-Akte bewährt sich in der Flüchtlingsversorgung

Seit Ende 2016 arbeiten Ärzte an Flüchtlingsunterkünften in Ingolstadt mit elektronischen Patientenakten. Die Bayerische TelemedAllianz spricht von einem erfolgreichen Pilotprojekt und strebt nun eine Ausweitung an.

Von Christina Bauer Veröffentlicht:
Bei der medizinischen Versorgung Geflüchteter wird in Bayern auch eine E-Akte erprobt.

Bei der medizinischen Versorgung Geflüchteter wird in Bayern auch eine E-Akte erprobt.

© Kay Nietfeld / dpa / picture a

INGOLSTADT. Bei der medizinischen Versorgung von Flüchtlingen lief die Dokumentation lange über Papier, auch in Ingolstadt. Die Bayerische TelemedAllianz (BTA) wollte das mit dem Projekt "Asylakte" ändern. Seit Oktober 2016 gibt es daher eine elektronische Patientenakte. Drei Gemeinschaftsunterkünfte machen derzeit mit, an denen insgesamt 18 Ärzte Geflüchtete betreuen.

Für die technologische Umsetzung holte die BTA den Praxis-Software-Hersteller CompuGroup Medical AG (CGM) an Bord. Das Koblenzer Unternehmen liefert eine vereinfachte Version ihres Arztinformationssystems ALBIS. Damit ist es möglich, sowohl Daten elektronisch zu erfassen, als auch elektronische Patientenakten anzulegen. So lassen sich beispielsweise Anamnese, Blutbild oder Röntgenaufnahmen dokumentieren.

EDV-Routine fehlt

Einige Anpassungen des Original-Systems waren allerdings erforderlich, um die Anwendbarkeit für Anfänger zu optimieren. Denn die Ärzte an den Gemeinschaftsunterkünften können zwar medizinisch viel Erfahrung vorweisen, in Sachen Software fehlt ihnen aber oftmals die Übung. "Sie sind zum Großteil aus dem Beruf heraus", berichtete BTA-Chef Professor Siegfried Jedamzik im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung". Die Ärzte wurden geschult, und ALBIS abgeändert. "Wir haben das Programm reduziert auf die Kernfunktionen", so Jedamzik. Alle Adaptionen habe die CompuGroup unentgeltlich übernommen.

Die elektronischen Akten sollen weiterbehandelnden Ärzten in anderen Unterkünften, Praxen oder Kliniken schnelle Information ermöglichen. Sie seien dort nicht nur mit ALBIS abrufbar, sondern über eine entsprechende Schnittstelle auch mittels anderer Arztinformationssysteme. Laut CGM können die Daten auch als webbasierte Akte zentral hochgeladen werden, sofern die Patienten zustimmen.

CGM zufolge wurden bisher 1000 E-Akten erstellt, davon mehrere hundert auch als Webakten. Bald könnten weitere Einrichtungen an dem E-Akte-Projekt teilnehmen. Die TelemedAllianz ist Jedamzik zufolge etwa im Gespräch mit dem Gesundheitsamt Ingolstadt. Auch dort erhobene ärztliche Daten könnten direkt in die Akten hochgeladen werden.

Anamnese mittels Vorlese-Funktion

Eine große Hürde in der medizinischen Flüchtlings-Versorgung sei oft die Sprache. Manche sprächen nur Arabisch, Farsi oder Paschtu. Deswegen, berichtet Jedamzik, wollte die BTA auch schriftliche Anamnesen im Rahmen ihres E-Akte-Projekts einführen. Der in München ansässige Arzneimittelhersteller MSD habe ehrenamtlich Anamnesebögen in sieben häufig gesprochene Sprachen übersetzen lassen. Das sei aber weniger hilfreich gewesen als erhofft, da sieben von zehn Patienten nicht lesen oder schreiben können. Eine neu entwickelte elektronische Anwendung lese die Fragen jetzt automatisch in der Zielsprache vor. Der Patient könne sie direkt beantworten. Diese Anamnese-Form werde derzeit noch erprobt, so Jedamzik. Er habe sie auch in seiner eigenen Praxis schon getestet. Die Anamnese per angeleiteter Spracheingabe sei aller Voraussicht nach ab August im Routinebetrieb möglich, ist Jedamzik sicher.

Wie der BTA-Chef ergänzt, sollen E-Patientenakten bald bundesweit auch in anderen Gemeinschaftsunterkünften genutzt werden. Dass Patienten ihre Daten selbst abrufen können, sei eine weitere Funktion, die man demnächst aktivieren wolle. Bisher werde das noch nicht angeboten.

Das E-Akte-Projekt der Bayerischen TelemedAllianz wird unterstützt vom Bayerischen Gesundheitsministerium. Zudem beteiligen sich mehrere staatliche Institutionen und Ärzteorganisationen.

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