Berufsrecht

Digital Health: Geduld bis zum Ärztetag

Schleswig-Holsteins Ärztekammer drückt in puncto Digital Health auf die Tube. Sie will notfalls im Alleingang das Berufsrecht modernisieren.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Die Musterberufsordnung ist in puncto Digital Health und Videosprechstunde laut Experten noch nicht auf der Höhe der Zeit.

Die Musterberufsordnung ist in puncto Digital Health und Videosprechstunde laut Experten noch nicht auf der Höhe der Zeit.

© vege / stock.adobe.com

DÜSSELDORF. Die Ärztekammer Schleswig-Holstein (ÄKSH) will nicht mehr lange auf die Anpassung des ärztlichen Berufsrechts an die neuen digitalen Möglichkeiten der Gesundheitsversorgung warten. Wenn es auf dem Ärztetag 2018 in Erfurt nicht zu den erforderlichen Änderungen an der Musterberufsordnung kommt, werde die ÄKSH in Schleswig-Holstein selbst eine Änderung des Kammerrechts auf den Weg bringen, kündigte Kammerpräsident Dr. Franz Bartmann beim Medica Econ Forum der Techniker Krankenkasse in Düsseldorf an.

Schleswig-Holstein habe auf dem diesjährigen Ärztetag in Freiburg einen Antrag zur Änderung des Berufsrechts gestellt, der mit großer Mehrheit angenommen worden sei. "Jetzt muss die Bundesebene reagieren", so Bartmann. Bislang sehe er aber nur zaghafte Ansätze.

Handlungsbedarf gibt es nach seinen Angaben bei Paragraf 7, Absatz 4 der Musterberufsordnung. Er verbietet Ärzten die individuelle Behandlung und Beratung ausschließlich über Print- und Kommunikationsmedien und regelt, dass bei telemedizinischen Verfahren die Patientenbehandlung unmittelbar durch Ärzte erfolgt. Auf dem Ärztetag 2011 sei er noch mit dem Vorstoß gescheitert, den Paragrafen so umzuformulieren, dass die telemedizinische Betreuung von Ärzten besondere Sorgfaltspflichten verlangt, berichtete Bartmann. "Konservative Ärzte haben dafür gesorgt, dass Telemedizin keine normale Medizin ist."

Allein dieser Paragraf habe Auswirkungen auf die elektronische Arzt-Patienten-Beziehung, sonst sehe das Berufsrecht keine Einschränkungen vor, betonte Bartmann, der Vorsitzender des Ausschusses Telematik der Bundesärztekammer ist. "Das ärztliche Berufsrecht und Onlinemedizin passen besser zusammen, als man gemeinhin annimmt."

Der Befundaustausch oder die sonstige digitale Kommunikation zwischen Ärzten werde vom Berufsrecht nicht tangiert. Hier sieht er die Hürden vor allem in der vertragsärztlichen Vergütung, die mit den neuen Möglichkeiten nicht Schritt halte. Am Beispiel der Vergütung für die Videosprechstunde werde deutlich, wie man es nicht machen sollte. "Die Anforderungen sind so hoch gehängt, dass es nicht praktikabel ist", kritisierte Bartmann.

Nach Ansicht von Hans-Peter Bursig, Geschäftsführer des ZVEI-Fachverbands Elektromedizinische Technik, muss sich das Kammerrecht den Veränderungen in der Medizin wie der zunehmenden Bedeutung der Vermessung und der Datenerhebung anpassen. "Mein Wunsch ist ein digitales Kammerrecht". Notwendig sei ein Regelungsrahmen, der auf die technischen Möglichkeiten Bezug nimmt und zeigt, unter welchen Bedingungen ein Arzt sie einsetzen kann. Eine aktualisierte Berufsordnung muss für Bursig eindeutig regeln, dass digitale medizinische Verfahren den anderen gleichgestellt sind. Das aktuelle Kammerrecht werde heutigen Ansprüchen nicht gerecht. Bursig: "Das Kammerrecht von heute ist mittelalterliche Analogmedizin". Es nehme immer noch Bezug auf den "Hand auflegenden Heiler".

Die Frage bei E-Health und telemedizinischen Anwendungen sei, was in den Leistungskatalog der GKV gehöre, sagte Dr. Edith Pfenning, Leiterin Methodenbewertung und veranlasste Leistungen beim Gemeinsamen Bundesausschuss. Sie stellte klar, dass in der GKV telemedizinische Anwendungen den gleichen Spielregeln unterliegen wie alle anderen Bereiche. "Sie müssen genauso wie alle anderen Leistungen nützen und sie müssen mehr nützen als das, was es in der Versorgung schon gibt". Um das beurteilen zu können, brauche der GBA Daten mit hoher Ergebnisqualität. Dass telemedizinische Verfahren ihren Nutzen durch Studien belegen müssen, steht für Pfenning außer Zweifel. "Die Frage, wie viele Teilnehmer dabei nötig sind, muss man sich anschauen." Die Selbstverwaltung müsse dafür sorgen, dass nicht leichtfertig Versichertengelder für Methoden ausgegeben werden, die sich im Nachhinein als fehlerhaft herausstellen, bestätigte Bartmann.

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