Digitaloffensive der Bundesregierung

Startschuss für den Digitalrat

Zehn Experten aus Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft begleiten die Bundesregierung beratend bei der Umsetzung ihrer Digitalstrategie. Im Gremium sitzt auch Expertise aus der digitalen Gesundheitswirtschaft. Die Opposition gibt sich unzufrieden.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Katrin Suder steht dem Digitalrat als Vorsitzende vor.

Katrin Suder steht dem Digitalrat als Vorsitzende vor.

© Maurizio Gambarini / dpa

BERLIN. Das Gesundheitswesen spielt nach den Worten der Bundesregierung eine zentrale Rolle in ihrer Digitalisierungsstrategie.

Selbiges trifft auf ihre Strategie in puncto Künstliche Intelligenz (KI) zu – hier soll Deutschland langfristig weltweit führender Standort sein. Allein der gute Wille hat jedoch bisher noch nicht gereicht, um das Land der Dichter und Denker rasch und umfassend zu digitalisieren.

Nun hat Deutschlands oberste Digitalritterin, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), das Schwert des Handelns in die Hand genommen.

Am Mittwoch hat das Bundeskabinett den Digitalrat installiert – ein Gremium bestehend aus zehn Vertretern aus Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft, das der Kanzlerin und ihren Ressortchefs helfen soll, die digitalen Geschicke künftig richtig zu lenken.

"Genau das soll der Digitalrat leisten, nämlich den Wissenstransfer von den Experten hin in die Politik, damit wir dann richtig handeln können", erläuterte Merkel kürzlich in ihrem Podcast.

Für die vernetzte Gesundheit könnte das Gremium durchaus wichtige Impulse geben, sitzen doch zwei erfahrene Vertreter aus dem Gesundheitswesen in seinen Reihen:

»Ijad Madisch ist Arzt und studierte zudem Informatik an der Fernuni Hagen – allerdings ohne Abschluss. Seit 2008 arbeitet er am Massachusetts General Hospital, wo er das Onlinenetzwerk ResearchGate für Wissenschaftler gründete, als dessen CEO er fungiert.

»Stephanie Kaiser, Geschäftsführerin und Gründerin des Start-ups Heartbeat Labs, will mit digitalen Technologien den Zugang zur gesundheitlichen Versorgung für Menschen verbessern und erleichtern.

Die acht anderen Auserwählten decken die verschiedensten Facetten der Digitalisierung ab:

»Katrin Suder ist zur Vorsitzenden des Digitalrates ernannt worden. Die in Computational Neuroscience promovierte Diplom-Physikerin ist Mitglied des Kuratoriums der Hertie School of Governance. Zuvor war sie Staatssekretärin im Bundesverteidigungsministerium, wo sie unter anderem für die Abteilungen Ausrüstung und Cyber/Informationstechnik verantwortlich zeichnete.

»Chris Boos gründete 1995 das auf KI spezialisierte Unternehmen Arago. Der studierte Computerwissenschaftler baute mit Aragos AI HIRO eine KI-Plattform für Unternehmen auf, die sich auf den B2B-Sektor konzentriert und dabei KI als Basistechnologie zur Verfügung stellt. Er ist zudem Investor in mehreren Start-ups – darunter das auf elektronische Gesundheitsakten spezialisierte Berliner Jungunternehmen Doctorbox.

»Urs Gasser ist Direktor des Berkman Klein Center for Internet & Society an der Harvard University und Professor an der Harvard Law School. Der Jurist forscht derzeit an der Beziehung zwischen Recht und Innovation. Er interessiert sich für Datenschutz- und Sicherheitsfragen. Auch Cloud Computing und KI hat er im Blick.

»Viktor Mayer-Schönberger ist seit 2010 Professor für Internet Governance and Regulation am Oxford Internet Institute. In dieser Funktion berät der Jurist Unternehmen, Regierungen und internationale Organisationen. Er beschäftigt sich mit den gesellschaftlichen Folgen der Nutzung von Big Data.

»Beth Simone Noveck leitet als Rechtsprofessorin an der New York University das Governance Lab, das Governance-Programme verbessern will. Von 2009 bis 2011 war sie unter US-Präsident Barack Obama stellvertretende Technologiebeauftragte im Weißen Haus und leitete die Open Government Initiative.

» Peter Parycek leitet seit 2017 das Kompetenzzentrum Öffentliche IT am Fraunhofer-Institut für Offene Kommunikationssysteme FOKUS. Der habilitierte Rechtsinformatiker wirkt in der Open-Government-Bewegung im deutschsprachigen Raum mit.

» Ada Pellert ist seit 2016 Rektorin der Fernuniversität Hagen. Die Professorin sitzt dem Vorstand der Kooperationsplattform "Digitale Hochschule NRW" vor.

»Andreas Weigend ist Physiker und lehrt heute an der Stanford University und an der University of California, Berkeley. Er erforscht die Veränderungen durch die Social-Data-Revolution und wie sich diese auf Einkaufs- und Lifestyle-Entscheidungen von Verbrauchern auswirkt. Weigend berät zudem Unternehmen. Als Chief Scientist von Amazon half er bei der Erstellung einer Datenstrategie.

Der Leidensdruck, in puncto Digitalisierung parteiübergreifend an einem Strang zu ziehen, scheint noch nicht hoch genug zu sein, die Opposition lächelt nur müde ob des Gremiums.

"Die Einsetzung eines Digitalrats ist nur ein weiteres Ablenkungsmanöver der Bundesregierung, die nach wie vor keine erkennbare Strategie für die Gestaltung des digitalen Wandels präsentieren kann", unkte zum Beispiel der digitalpolitische Sprecher der FDP-Fraktion Manuel Höferlin am Mittwoch.

"Der Digitalrat darf kein Feigenblatt sein, um die nächsten Jahre wieder nur zu diskutieren und nichts umzusetzen; denn jetzt muss es losgehen", mahnte die Grünen-Abgeordnete Anna Christmann, Parteisprecherin für Innovations- und Technologiepolitik, bereits bei einer Bundestagsdebatte im Februar.

Der digitalpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Tankred Schipanski, versucht, den Skeptikern den Wind aus den Segeln zu nehmen: Man werde im Bundestag "darauf achten, dass alle Ressorts der Bundesregierung die Digitalisierung als Chance begreifen, im Sinne einer kohärenten nationalen Digitalstrategie." Der Digitalrat könne hier wichtigen Input liefern, ergänzt er.

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