Weltärztebund

Telemedizin nicht nur des schnöden Mammons wegen einsetzen!

Der direkte Arzt-Patienten-Kontakt bleibt für den Weltärztebund der Goldstandard in der Versorgung. Bei der 69. Generalversammlung in Reykjavik hat er aber seine Erklärung zur Telemedizin aktualisiert. Der Bund warnt vor Missbrauch.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Ein Arzt für alle? Dieses Telemedizinverständnis missfällt nicht nur dem Weltärztebund.

Ein Arzt für alle? Dieses Telemedizinverständnis missfällt nicht nur dem Weltärztebund.

© everythingpossible / Fotolia

Telemedizin sollte nicht als der medizinischen Versorgung von Angesicht zu Angesicht gleichgestellt gesehen werden. Und sie sollte nicht nur mit dem Ziel implementiert werden, die Gesundheitskosten zu senken oder – als "perverser Anreiz" – Leistungsmengen zum Zwecke der ärztlichen Selbstbereicherung auszuweiten.

Mit drastischen Worten warnt der Weltärztebund (World Medical Association/WMA) vor zu viel einseitiger Euphorie zum Einsatzpotenzial telemedizinischer Lösungen im Versorgungsalltag. Entsprechend hat die WMA vor Kurzem in Reykjavik auf ihrer 69. Generalversammlung die 2007 in Kopenhagen verabschiedete Stellungnahme zur Telemedizin aktualisiert.

Neben der Warnung vor dem Gebrauch der Telemedizin des schnöden Mammons wegen geht die WMA in ihren Empfehlungen auch auf Grenzen und potenzielle Konfliktsituation im Zusammenhang mit der ortsungebundenen Versorgung ein. So dringt der Weltärztebund darauf, dass die jeweiligen telemedizinischen Lösungen auf den individuellen Rechtsrahmen der Staaten abgestimmt werden. Dies beinhalte auch die Zulassung von Telemedizin-Plattformen "im besten Patienteninteresse".

Wo es angemessen sei, sollten die nationalen Ärztevereinigungen zusammen mit der WMA darauf hinwirken, dass ethische Normen, praktische Leitlinien, aber auch eine nationale Gesetzgebung und internationale Vereinbarungen geschaffen werden. Diese sollen wiederum als Leitplanken für die angewandte Telemedizin fungieren, die das Arzt-Patienten-Verhältnis schützen und die Vertraulichkeit sowie die Qualität der medizinischen Versorgung sicherstellen.

Nachteilige Auswirkungen im Blick

Die WMA mahnt auch zur Weitsicht. So müssten die Ärzte explizit die nachteiligen Auswirkungen telemedizinischer Lösungen auf die kollegiale Zusammenarbeit und die damit in Zusammenhang stehenden Sachverhalte identifizieren und präventive Konfliktlösungen erarbeiten.

In ihrer Stellungnahme weist die WMA auch auf den innovationsbedingten, ständigen Technikfortschritt hin, der immer wieder neue Fragen aufwerfe. Exemplarisch kann hier ein Blick vor die Haustür zeigen, worum es geht. So hat die Bundesregierung angesichts der teils noch ungeahnten Möglichkeiten, die der Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) auch in der personalisierten Medizin sowie in der Telemedizin verspricht, mehrere Gremien installiert, die sie bei der Umsetzung der im Juli vom Bundeskabinett beschlossenen KI-Strategie beraten sollen.

Explizit beschäftigen sich der Digitalrat unter Vorsitz von Katrin Suder wie auch die Enquete-Kommission zur Künstlichen Intelligenz unter Vorsitz der SPD-Bundestagsabgeordneten Daniela Kolbe mit ethischen sowie juristischen Fragen in Verbindung mit dem KI-Einsatz in der Medizin, die für die Bundesregierung als ein zentrales Feld für die neuen Technologien gilt.

Ärzte als Patientenanwälte für Telemedizin-Ethik

Der Weltärztebund sieht die Mediziner rund um den Globus des Weiteren in der Pflicht, sich als Patientenanwälte für telemedizin-ethische Fragestellungen zu verstehen und – wiederum "im besten Patienteninteresse" – dafür Lobbyarbeit zu betreiben.

Neben dem Rat, Ärzte sollten nur in den Ländern Telemedizin betreiben, in denen dies nicht verboten ist, erinnert die WMA die Mediziner auch an ihre Verpflichtungen und Verantwortlichkeiten. So empfiehlt sie telemedizinisch tätigen Ärzten, grundsätzlich im Sinne der Nachverfolgbarkeit alle im Zusammenhang mit der Behandlung stehenden Ratschläge an die Patienten sowie deren Aussagen detailliert zu dokumentieren.

Der behandelnde Arzt sollte sich vergewissern, dass sein Patient die Ratschläge sowie dargelegten Therapieoptionen verstanden hat und Schritte unternimmt, die Behandlung fortführen zu lassen. Auch werden Ärzte aufgefordert, sich der Möglichkeit bewusst zu sein, notfalls eine telemedizinische Behandlung abbrechen zu müssen, wenn sie im Patienteninteresse die Notwendigkeit einer reinen Behandlung vor Ort sehen.

Die WMA adressiert auch die Haftungsfrage: So betont sie, der Arzt, der einen Kollegen um Rat frage, bleibe für die Behandlung und andere Empfehlungen verantwortlich, die der zweite Arzt gebe. Last but not least sollten sie auch dafür sorgen, dass die Berufshaftpflichtversicherung Schäden abdeckt, die aus der telemedizinischen Behandlung resultieren, so der Weltärztebund.

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