„Digi-Ort“

Bayern setzt auf digitale Lösungen für die Pflege

Digitale Vernetzung, E-Akte, E-Rezept und Assistenzsysteme für zu Hause – im Oberen Rodachtal im ländlichen Oberfranken wird erprobt, inwiefern Technik die Pflege effizienter gestalten könnte.

Von Christina Bauer Veröffentlicht:
Inwieweit können digitale Lösungen die Pflege verbessern? Das Projekt „Digi-Ort“ geht dieser Frage nach.

Inwieweit können digitale Lösungen die Pflege verbessern? Das Projekt „Digi-Ort“ geht dieser Frage nach.

© vege - stock.adobe.com

OBERES RODACHTAL. Im ländlichen Nordbayern soll die Versorgung digitaler werden. Das betreffende Projekt „Digi-Ort – Digitale medizinisch-pflegerische Versorgung und assistiertes Wohnen“ ist zunächst auf drei Jahre angelegt.

Immer mehr Senioren, immer weniger Ärzte, so beschreibt es Wolfgang Puff, der im Landkreis Kronach für Wirtschaft, Struktur und Entwicklung zuständig ist.

„Wir haben jetzt schon Überlastungserscheinungen“, sagt er im Gespräch mit der „Ärzte Zeitung“ über die ärztliche und pflegerische Versorgung. „Jeder vierte Bürger im Landkreis ist über 65 Jahre alt.“

Im Oberen Rodachtal mit den drei Projektorten Steinwiesen, Nordhalben und Wallenfels leben über 8000 Menschen. Es gibt aber derzeit nur fünf Allgemeinärzte, von denen einer seine MVZ-Filiale vom Landkreis Hof aus organisiert. Die Caritas hat einen ambulanten Pflegedienst und ein Heim, und viele Angehörige pflegen selbst.

Plattform für den Datenaustausch

Nun soll das Fraunhofer Institut für Integrierte Schaltungen in Erlangen zu neuen Lösungen beitragen. „Die Idee ist, eine Plattform zu schaffen, die es ermöglicht, Daten zwischen den Beteiligten auszutauschen“, so Projektmitarbeiterin Nadine Chrobok-Pensky gegenüber der „Ärzte Zeitung“.

Diese solle Senioren und Angehörige etwa mit Hausarzt, Pflegedienst und Beratungsstelle vernetzen. So könnten Ärzte leichter informiert bleiben, wie es ihren Patienten geht. Das wiederum könnte eine Online-Beratung ermöglichen, und den einen oder anderen Hausbesuch sparen.

Um die Kooperation von Ärzten und Pflegeheimen zu verbessern, gibt es im SGB V Versorgungsverträge nach Paragraf 119b Abs. 2. Seit 2016 wurden zudem im EBM neue Leistungen für die Heimversorgung ergänzt.

Das Pflegeheim in Wallenfels hat seit diesem Jahr dementsprechend mehrere Kooperationsverträge geschlossen. Vier Hausärzte und ein Zahnmediziner sind Vertragspartner.

Vielversprechende Zwischenergebnisse

Das Pflegeheim nimmt an dem 2016 in der Region gestarteten Projekt „Gesundheit 4.0“ teil. In dem wollen der Ort Wallenfels und einige Orte im Landkreis Wunsiedel Ärzte und Heim digital vernetzen.

Die Zwischenergebnisse gelten als vielversprechend und sollen bei „Digi-Ort“ berücksichtigt werden. „Es heißt, aus der Not eine Tugend machen - das hat wohl gut geklappt“, sagt Bürgermeister Jens Korn der „Ärzte Zeitung“.

„Digi-Ort“ soll aber noch mehr Komponenten erproben. So könnten Praxismitarbeiter Hausbesuche übernehmen und die Ärzte bei Bedarf per Telemedizin hinzuziehen.

Für leichteren Zugang zu Arzneien sollen Ärzte und Apotheken die Verordnung per E-Rezept testen. Ein bürgerschaftlich organisierter Besuchsdienst soll ebenfalls mitmachen. Viele Senioren in der Region leben allein.

Ambient Assisted Living (AAL) soll in ein bis zwei Haushalten pro Ort erprobt werden. Robotische Assistenten und digitale Anwendungen könnten ermöglichen, was sich viele Senioren wünschen. Sie könnten altersbedingte Hürden ausgleichen, damit sie weiter zu Hause leben können. Parallel würden Angehörige und Pflegedienste entlastet.

Aufenthaltsorte überwachen

Für kritische Situationen sollen Warnsysteme Sicherheit schaffen. So sollen Sturzsensoren und „Geo-Fencing“, das etwa bei Dementen einen vorgesehenen Aufenthaltsbereich überwacht, erprobt werden. Ein Meldesystem soll Pflegende informieren, wenn jemand stürzt oder den vorgesehenen Bereich verlässt.

Auch alltägliche Vitalwerte, etwa ein Langzeit-EKG, könnten einfacher als bisher erfasst werden. Erprobt werden sollen dafür Shirts mit integrierten Sensoren.

Das Fraunhofer Institut möchte sich frühzeitig am Bedarf orientieren. „Wir wollen Patienten in das Projekt mit einbeziehen“, so Chrobok-Pensky.

In der über die neue Datenplattform zu erstellende E- Pflegeakte sollen Abrufrechte sinnvoll differenziert werden. „Nicht jeder soll auf alle Daten zugreifen können“, so Puff.

Beteiligte sollen nur Informationen abrufen, die für ihre Aufgabe relevant sind. Das Bayerische Gesundheits- und Pflegeministerium hat 2,4 Millionen Euro zugesagt.

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