Ärzte empört

AU-Bescheinigungen via Whatsapp

Kommt die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bald via WhatsApp? Das plant zumindest ein Hamburger Startup und erwartet eine steigende Nachfrage. Ärztekammern indessen kritisierten das Angebot.

Dirk SchnackVon Dirk Schnack Veröffentlicht:
AU per WhatsApp: Kammern hinterfragen das Konzept.

AU per WhatsApp: Kammern hinterfragen das Konzept.

© Arno Burgi / dpa-Zentralbild

HAMBURG. Ein Hamburger Unternehmen bietet die Ausstellung von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (AU) ohne persönlichen Arztbesuch per WhatsApp an.

Ausgestellt wurden die Bescheinigungen bislang von einer Ärztin, die dafür aus berufsrechtlichen Gründen nach Schleswig-Holstein gefahren ist. Seit wenigen Tagen kooperiert das Unternehmen auch mit einer Münchener Ärztin. Die Ärztekammern im Norden beurteilen das Geschäftsmodell kritisch.

Rechtsanwalt Dr. Can Ansay, Gesellschafter der „Dr. Ansay AU-Schein GmbH“, hält die Kritik der Körperschaften für unbegründet. Im Gespräch mit der „Ärzte Zeitung“ nannte er sein Angebot eine „sinnvolle Anwendung der Telemedizin“.

Über das kurz vor Weihnachten gestartete Modell sind in den vergangenen Tagen nach eigenen Angaben rund 100 AU-Bescheinigungen ausgestellt worden.

„Verbreiteter Irrglaube“

Ansay plant eine Ausdehnung auf privatärztlich tätige Ärzte, die sein Angebot nutzen und ihren erkälteten Patienten den Weg in die Praxis sparen könnten. Zu berufsrechtlichen Bedenken verweist Ansay auf seiner Website auf einen „auch unter vielen Ärzten verbreiteten Irrglauben“, dass Krankschreibungen über das Internet nicht erlaubt seien.

„Bisher haben sich nur Delegierte auf dem Deutschen Ärztetag 2018 gegen AU-Scheine per Telemedizin ausgesprochen. Dies wurde aber nicht verbindlich in die deutsche Musterberufsordnung aufgenommen, welche ohnehin für die entscheidenden Landesärztekammern rechtlich unverbindlich ist“, heißt es auf der Homepage.

Für die AU ohne persönlichen Arztkontakt müssen auf der Website www.au-schein.de Fragen zu Symptomen beantwortet und Daten übermittelt werden. Die Angaben werden dann geprüft und je nach Ergebnis wird eine AU ausgestellt oder nicht.

Die Bescheinigung wird per WhatsApp oder Post zugestellt. Die Leistung kostet neun Euro. Laut Werbung ist die Leistung „von Rechtsanwälten bestätigt, genügt dem Datenschutz gemäß DSGVO und ist Ende-zu-Ende verschlüsselt“.

Die Dienstleistung ist auf zwei AU pro Jahr begrenzt, um einen Missbrauch zu verhindern. Ansay betont aber, dass er einen solchen Missbrauch nicht erwartet.

Er verweist auf Erfahrungen in Norwegen, wo Arbeitnehmer nach seinen Angaben auch ohne Krankschreibung zu Hause bleiben können, ohne dass dies eine höhere Rate an Arbeitsunfähigkeit bewirkt habe.

Feld für gewerbliche Anbieter

Bei den Ärztekammern stößt das Modell allerdings auf Kritik. „Auch wenn in diesem Geschäftsmodell ein Quäntchen Zukunftsvision enthalten sein mag, die aktuelle Umsetzung ist nach bisherigem Kenntnisstand fraglich rechtskonform“, teilte die Ärztekammer Schleswig-Holstein hierzu mit.

„Eine verantwortungsvolle und behutsame Überführung des vertraulichen Arzt-Patienten-Verhältnisses in das digitale Zeitalter sieht nach Auffassung der Ärzteschaft anders aus“, heißt es in der Stellungnahme.

Die Ärztekammer in Hamburg verwies darauf, dass Ärzte AU-Bescheinigungen „nach besten Wissen und Gewissen ausstellen“, und merkt hierzu an: „Husten und Heiserkeit hört man am Telefon wenigstens noch, über WhatsApp oder Fragebogen ist dies nicht möglich.“

Die Kammer erwartet, dass es weitere gewerbliche Anbieter geben wird, die sich auf die Fernbehandlung fokussieren. „Dies kann nicht allein Sache der Kammern sein, deren originäre Aufgabe die Berufsaufsicht über Ärztinnen und Ärzte des Kammerbereichs, aber nicht über die jeweiligen Unternehmen ist.“

Deshalb müsse es einen politischen Diskurs über die Grenzen der technischen Möglichkeiten geben.

Wie das Angebot bei den Patienten ankommt, steht noch nicht fest. Ansay kündigte an, dass Patienten über eine Feedback-Funktion nach der Genesung ihre Erfahrungen schildern können.

Interessant dürfte sein, wie deren Arbeitgeber auf die AU per WhatsApp reagieren. Auf der Homepage einer Rechtsanwaltskanzlei wurden Zweifel angemeldet, ob Arbeitgeber dies anerkennen werden.

Mehr zum Thema
Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Führen den BVKJ: Tilo Radau (l.), Hauptgeschäftsführer, und Präsident Michael Hubmann im Berliner Büro des Verbands.

© Marco Urban für die Ärzte Zeitung

Doppel-Interview

BVKJ-Spitze Hubmann und Radau: „Erst einmal die Kinder-AU abschaffen!“

Diakonie-Präsident Rüdiger Schuch.

© Rolf Schulten

Interview

Diakonie-Präsident Schuch: Ohne Pflege zu Hause kollabiert das System