Notfalldaten

Sinnvoll und praktikabel

Cleverer Schachzug: Bei der Entwicklung des Notfalldatensatzes hat die Bundesärztekammer Ärzte aus Praxis und Klinik mit ins Boot geholt. Den ersten Testlauf hat das Projekt mit Bravour bestanden.

Rebekka HöhlVon Rebekka Höhl Veröffentlicht:
Sinnvoll und praktikabel

© TK-Pressestelle / Michael Zapf

Ohne Zweifel zählt der Notfalldatensatz zu den Anwendungen der elektronischen Gesundheitskarte (eGK), die in der Patientenversorgung einen großen und vor allem direkt sichtbaren Nutzen bringen. Das gilt nicht nur für die Notfälle, die in den Kliniken landen.

Von den rund 29 Millionen ambulanten Behandlungsfällen in der Notfallversorgung, die das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) für das Jahr 2014 ermittelt hat, entfielen über 20 Millionen auf den vertragsärztlichen Bereich (inkl. Bereitschaftsdienst).

Aber auch bei Akutpatienten, die neu in eine Praxis kommen, kann der Datensatz sozusagen auf Knopfdruck wichtige Informationen zur Krankengeschichte, Medikation, Allergien etc. liefern.

Inhalte via Praxistest ermittelt

Damit die Daten tatsächlich strukturiert vorliegen, wurde die Ärzteschaft selbst – in Form der Bundesärztekammer (BÄK) – beauftragt, ein entsprechendes Notfalldatenmanagement (NFDM) zu entwickeln. Dabei hat die BÄK Hausärzte, Internisten und das Uniklinikum Münster (UKM) mit ins Boot geholt.

Unter dem Projekttitel NFDM-Sprint wurde das Anlegen des Notfalldatensatzes erprobt – und ermittelt, welche Daten für den Notfall denn überhaupt relevant sind und in den Praxen erfasst werden sollten.

Über sechs Monate – von Mai bis November 2016 – haben 31 niedergelassene (25 Hausärzte, sechs Fachinternisten) und sieben Klinikärzte insgesamt 2598 Notfalldatensätze und 573 Datensätze mit persönlichen Erklärungen für 2610 Patienten angelegt.

Die anonymisierten Notfalldatensätze wurden anschließend von der Stabsstelle Telemedizin des UKM bezüglich medizinischer Inhalte und auf Echtheit überprüft. Außerdem wurden die Ärzte und Medizinischen Fachangestellten (MFA) der Praxen zu drei Zeitpunkten – vor, während und nach dem Anlagezeitraum – telefonisch durch den Lehrstuhl für Ge-sundheitsmanagement der Friedrich- Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) befragt.

Flankiert wurde das Ganze mit einer Patientenbefragung, an der sich 298 Patienten beteiligt haben. Erst kürzlich wurden die Ergebnisse der Evaluation von der gematik vorgestellt – und diese zeigen: Sowohl Ärzte wie auch Patienten sind vom Nutzen des NFDM überzeugt.

100-prozentiger Zuspruch

100 Prozent der Ärzte halten den Notfalldatensatz für sinnvoll. Von den befragten Patienten gaben 96,3 Prozent an, dass Ärzte sie durch einen NFD besser versorgen können. 47,3 Prozent der Patienten stimmten zudem der Aussage zu, dass sie schon einmal in einer Situation waren, in der ein NFD hilfreich gewesen wäre.

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Wichtig, damit sich das Notfalldatensatzmanagement im Praxisalltag etabliert, ist aber vor allem, dass es auch praktikabel ist. Immerhin 80 Prozent der Ärzte im ambulanten Bereich gaben an, mit dem Anlageprozess "sehr" oder "eher zufrieden" zu sein.

Bei den Klinikärzten zeigte sich zwar nur gut die Hälfte der Ärzte als "sehr" oder "eher zufrieden", einer der befragten Ärzte gab sogar an "sehr unzufrieden" zu sein. Die Hauptgründe für den Unterschied liegen laut FAU aber in der problematischen Datenübernahme aus dem Krankenhausinformationssystem, in dem nur abrechnungsrelevante Daten für den jeweiligen DRG-Fall dokumentiert werden, und der fehlenden Unterstützung durch das medizinische Assistenzpersonal im Krankenhaus.

Hier haben die Praxen einen klaren Vorteil, gerade dort, wo eine gute Arbeitsteilung zwischen Arzt und MFA stattfand, lief auch der Anlageprozess gut. Denn, auch das hat die Evaluation gezeigt, der Zeitaufwand für die Aufklärung und Einwilligung des Patienten ist relativ hoch.

Durchschnittswerte hat das FAU hier allerdings nicht ermittelt. Die gibt es nur für den tatsächlichen Anlageprozess: Bei 75 Prozent der Notfalldatensätze seien es unter zehn Minuten und im Gesamtschnitt vier Minuten gewesen.

Hohe Trefferquote der Ärzte

Die Ärzte zeigte bei der Anlage des NFD ein gutes Gespür dafür, welche Patienten sie ansprechen und welche Daten sie erheben. Hier wurde nämlich extra keine Vorgabe gemacht, um im Praxistest zu ermitteln, was Notfallmediziner letztlich wirklich an Infos benötigen. 97,6 Prozent der angelegten NFD enthielten nachvollziehbar notfallrelevante Informationen.

Und: Die Datensätze wurden zum überwiegenden Teil für ältere, multimorbide Patienten angelegt. Ein Teil der Patienten wies zwar wenige, aber dennoch notfallrelevante Erkrankungen auf. Im Durchschnitt wurden für jeden Patienten sieben Diagnosen und fünf Medikamente dokumentiert.

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Danach gefragt, auf welchem Medium sie den NFD gerne bei sich tragen würden (die Patienten konnten sich für zwei Varianten entscheiden), sagten 95,3 Prozent der Patienten auf der elektronischen Gesundheitskarte.

11,7 Prozent könnten sich die Papiervariante und 11,1 Prozent auch die Onlineversion mit einem Zugang nur für Ärzte vorstellen. Das eigene Smartphone bzw. eine entsprechende App hielten hingegen nur 4,4 Prozent für den geeigneten Speicherort.

Der Testlauf

» Von Mai bis November 2016 legten 31 niedergelassene und sieben Klinikärzte 2598 Notfalldatensätze und 573 Datensätze mit persönlichen Erklärungen für 2610 Patienten an.

» Die persönlichen Erklärungen der Patienten hielten 81 Prozent der niedergelassenen und 86 Prozent der Klinikärzte für eine durchaus sinnvolle Ergänzung.

- Ein PVS und ein KIS waren in die Tests integriert, um den elektronischen Ablauf zu prüfen.

» Die BÄK hat aus dem Test heraus einen Fahrplan für das strukturierte Notfalldatenmanagement entwickelt.

Der Evaluationsbericht und weitere Infos unter: https://nfdm.gematik.de/

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