Die geheime Kundendatei der Versicherer

In ihrer schwarzen Liste führen Versicherer nicht nur Betrüger, sondern auch Personen mit erhöhtem Risiko. Jetzt dürfen Kunden einen Blick in die Liste werfen.

Anne-Christin GrögerVon Anne-Christin Gröger Veröffentlicht:
9,5 Millionen personenbezogene Daten führen die Versicherer in ihrem geheimen Register.

9,5 Millionen personenbezogene Daten führen die Versicherer in ihrem geheimen Register.

© Foto: endostockwww.fotolia.de

Viele ahnten nicht einmal, dass es so etwas gibt - eine geheime Kundendatei der deutschen Versicherer. Ärzte können jetzt Einblick in das Hinweis- und Informationssystem (HIS) nehmen. Die Gesellschaften müssen ihre Kunden nämlich seit 1. April 2009 darüber informieren, ob sie in ihrem Verzeichnis gelistet sind und aus welchem Grund sie darin aufgenommen wurden.

Doch wie funktioniert das geheime HIS? Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) speichert Zahlen und Fakten über auffällige Kunden, wenn sie mit dem Auto besonders viele Unfälle haben oder - etwa bei Lebensversicherungen - eine Vorerkrankung haben. Die Informationen stellt der Verband seinen Mitgliedsunternehmen zur Verfügung. Alle deutschen Versicherer können darauf zugreifen und Daten über Kunden melden und abfragen. Mit dem Verzeichnis will die Branche Versicherungsbetrügern auf die Schliche kommen und Hinweise sammeln, ob ein Kunde vielleicht betrügt. Doch nicht nur besonders dubiose Fälle landen in der Kartei.

Mit der Schadensmeldung entsteht schon ein Verdacht

Für einen Vermerk reicht schon, dass der Kunde einen Autodiebstahl meldet, bei dem auch die Papiere verlorengegangen sind. Auch wer nachts in einem abgelegenen Industriegebiet einen Autounfall hat, kassiert einen Eintrag. Denn statistisch gesehen passieren in diesem Umfeld die meisten Versicherungsbetrügereien. Datenschützer kritisieren die gängige Praxis, dass jeder, der zweimal im Jahr eine Deckungsanfrage an seine Rechtsschutzversicherung stellt, bereits in der Datei landet. "Das ist auch der Fall, wenn der Kunde überhaupt keinen Rechtsstreit geführt hat", sagt Bettina Gayk, Sprecherin der Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit (LDI) Nordrhein-Westfalen.

Bisher blieb die geheime Liste den Verbrauchern verschlossen. Das ändert sich jetzt. "Alle Versicherten können auf Anfrage erfahren, welche Daten über sie im HIS gespeichert sind", sagt Gayk. Informationsbedarf ist da. "Seit dem 1. April haben wir etwa 4500 Anfragen der Versicherten", sagt Katrin Rüter vom GDV.

Wer beim Verband nachfragt, bekommt Informationen darüber, ob und in welcher Versicherungssparte er gelistet ist und welcher Anbieter für den Eintrag verantwortlich ist.

Etwa 9,5 Millionen personenbezogene Daten sind in dem Register erfasst. Jährlich kommen fast zwei Millionen neue dazu.

Sieben Kategorien für "schlechtes Risiko"

Der GDV speichert in sieben Sparten, ob der Versicherte ein mieser Autofahrer, ein Prozesshansel oder gesundheitlich vorbelastet ist. Solche Kunden gelten bei Anbietern als schlechtes, weil hohes Risiko. Für sie ist es oft unmöglich, eine neue Police zu bekommen. Gelingt es ihnen doch, kostet der Vertrag häufig mehr oder schließt viele Risiken aus.

Die Versicherer verteilen anhand zahlreicher Kriterien für jeden gemeldete Schaden Punkte. Wer eine gewisse Punktanzahl erreicht hat, wird in die schwarze Liste eingetragen. Die Kriterien sind nach Angaben von Rüter geheim - der Verband wolle damit verhindern, dass Betrügern eine Anleitung zum Prellen der Versicherung gegeben werde. Nach fünf Jahren sollen diese Daten gelöscht werden.

Versicherte, die sich informieren wollen, ob sie im HIS gelistet sind, müssen schriftlich beim GDV anfragen. Die Adresse ist Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft, Hinweis- und Informationssystem, Wilhelmstraße 43/ 43 G, 10117 Berlin. Interessierte sollten eine Kopie von Vorder- und Rückseite des Personalausweises beifügen.

Wer sicher ist, unberechtigt in der Datei geführt zu werden, kann beim zuständigen Versicherer die Löschung des Eintrags verlangen. Weigert sich das Unternehmen, können sich Kunden beim Versicherungsombudsmann beschweren.

Lesen Sie dazu auch: Schwarze Liste für Versicherte transparent

Mehr zum Thema

apoBank-Analyse

Frauen haben bei Praxisgründungen die Nase vorn

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Ambulantisierung

90 zusätzliche OPS-Codes für Hybrid-DRG vereinbart

Doppel-Interview

BVKJ-Spitze Hubmann und Radau: „Erst einmal die Kinder-AU abschaffen!“

Interview

Diakonie-Präsident Schuch: Ohne Pflege zu Hause kollabiert das System

Lesetipps
Der Patient wird auf eine C287Y-Mutation im HFE-Gen untersucht. Das Ergebnis, eine homozygote Mutation, bestätigt die Verdachtsdiagnose: Der Patient leidet an einer Hämochromatose.

© hh5800 / Getty Images / iStock

Häufige Erbkrankheit übersehen

Bei dieser „rheumatoiden Arthritis“ mussten DMARD versagen