Bald stellt der Fiskus sein Prüfverfahren um

Im Herbst kommt auf steuerpflichtige Ärzte ein intensiveres Prüfverfahren zu. Der Grund: Die Finanzverwaltung setzt auf ein neues Risikomanagementsystem. Wer danach auffällig wird, hat ein Problem.

Von Dagmar Kayser-Passmann Veröffentlicht:
Steuerakten werden künftig auf Risiken geprüft. © R. Kneschke / Fotolia.de

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UNNA. Obwohl gehütet wie ein Schatz sind bereits vor einigen Monaten streng geheime Informationen aus dem internen Kreis der Finanzverwaltung nach außen gedrungen. Im Herbst dieses Jahres soll ein bundesweit einheitliches Risikomanagementsystem an den Start gehen: RMS 2.0. Ziel ist die intensive Prüfung risikobehafteter Steuererklärungen. Zur Vorbereitung darauf werden alle Steuervordrucke "verkennziffert", ein Beispiel ist die Anlage EÜR (Einnahme-Überschuss-Rechnung), die bereits für die elektronische Abgabe standardisiert wurde.

Die Finanzämter teilen alle Steuerpflichtigen in fünf Risikoklassen ein. Klasse 1 steht für hohes Risiko, Klasse 2 für mittleres Risiko und Klasse 3 für geringes respektive kein Risiko. Daneben gibt es noch die Risikoklasse BP für Betriebsprüfung sowie Risikoklasse erstmalig. Die Einstufung in die Risikoklassen 1 bis 3 erfolgt personell. Risikoklasse BP maschinell (zum Beispiel per Zufallsgenerator) und Risikoklasse erstmalig zum Beispiel bei Existenzgründern.

Ein hohes Risiko (Klasse 1) sieht die Finanzverwaltung bei Steuerpflichtigen mit vielen Einkunftsarten, mit der Möglichkeit, vielfältig rechtlich und tatsächlich zu gestalten oder auch allein durch deren Zugehörigkeit zu bestimmten Branchen (etwa Baugewerbe, Gastrononomie).

Wer nicht mitarbeitet, kommt auf die Liste

Hohes Risiko bergen aber auch renitente Bürger, die ohne massiven Druck ihren steuerlichen Erklärungspflichten nicht nachkommen und sich erst langsam bewegen, wenn der Schätzbescheid mit Zahlungsaufforderung vorliegt. Eingeschlossen sind auch Steuerpflichtige, die erst nach zigfacher Aufforderung ihre Steuern zahlen oder gar erst, wenn der Vollziehungsbeamte die geschätzten Steuern eintreiben will.

Mittleres Risiko (Klasse 2) wird dort vermutet, wo etwa die elektronische Abgabe der Anlage EÜR verweigert wird oder ein Risikofilter Hinweise auswirft. Das kann bei bestimmten Prüffeldern sein - Praxisabgabe oder Aufgabe, Einkünfte aus Kapitalvermögen, Gewinneinkünfte, bestimmte Sonderausgaben und ähnliches. Wer seinen Erklärungs- und Zahlungsverpflichtungen gegenüber dem Finanzamt nachkommt, aber erst nach eindringlicher Aufforderung, fällt auch in dieses Schema.

Bei Risikoklasse 1 wird es richtig unbequem

Geringes Risiko (Klasse 3), das wird nur dem braven Steuerbürger bescheinigt, der seinen Pflichten pünktlich nachkommt, dessen Vorjahre keinen Anlass zu Beanstandungen gaben oder bei dem die Betriebsprüfung keine besonderen Auffälligkeiten feststellen konnte. Auch wer die Anlage EÜR elektronisch abgibt und nicht aus anderen Gründen in 2 oder 3 eingestuft wurde, wird mit Klasse 1 belohnt.

Die Konsequenz: Wer in Risikoklasse 1 eingestuft wurde, darf eine vollumfängliche Prüfung seiner Steuererklärung erwarten unter Einsatz aller Verprobungsmethoden wie Geldverkehrsrechnung, die private Bargeldverkehrsrechnung sowie die Vermögenszuwachsrechnung. Und das macht wahrlich keinen Spaß.

Klasse 2 wird schwerpunktmäßig geprüft - zum Beispiel nur Kapitalvermögen oder Gewinneinkünfte intensiv - und Klasse 3 innerhalb der nächsten 4 Jahre nur grob maschinell.

Wichtig: nach einer Betriebsprüfung wird eine Prognose für die Risikoklasse und bestimmte Risikobereiche (zu überwachende Sachverhalte) abgegeben. Alle erhaltenen Informationen fasst der Prüfer in einem RMS-Datenblatt zusammen (Abgabeverhalten, Zahlungsverhalten, hohe Abschlusszahlungen) und stellt den Compliance-Faktor nach einem Ampelsystem fest:

Grün bedeutet: ist kooperationsbereit, vertrauenswürdig, kommt steuerlichen Pflichten eigenständig nach;

Gelb heißt: kommt steuerlichen Pflichten nur "unter dem Eindruck präventiver Maßnahmen nach";

Bei Rot sieht die Behörde rot: Der Steuerpflichtige will sich seinen steuerlichen Pflichten entziehen - glaubt die Behörde. Anschlussprüfungen sind hier fast programmiert.Pünktlichkeit bei der Abgabe von Erklärungen, Einhaltung von Fristen und angemessenes Zahlungsverhalten könnten sich künftig lohnen. Bedenklich wird es, wenn allein die Verweigerung von Handlungen, für die es keine Gesetzesgrundlage gibt, zu einer Hochstufung führt - siehe Anlage EÜR. Wir sind gespannt, wie die Finanzverwaltung dieses System in der Praxis umsetzen wird und warten schon auf die ersten Verfassungsklagen.

Dagmar Kayser-Passmann ist Diplom-Finanzwirtin und Steuerberaterin in Unna.

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