Wegweiser zum Gesundheitsunternehmen

Von der Einzelpraxis zum Gesundheitsunternehmen - immer mehr Ärzte wählen diesen Weg, um die Praxis zu sichern. Doch wie gehen alle Beteiligten am besten vor? Eine Roadmap hilft, Irrwege zu vermeiden.

Von Jürgen Karsten und Marc Müller Veröffentlicht:
Ärzte am Scheideweg: Viele stehen vor der Entscheidung, wie sie die Arztpraxis im Gesundheitsmarkt neu positionieren.

Ärzte am Scheideweg: Viele stehen vor der Entscheidung, wie sie die Arztpraxis im Gesundheitsmarkt neu positionieren.

© ioannis kounadeas / fotolia.com

Das haben mittlerweile viele Ärzte verinnerlicht: Die Einzelpraxis muss sich immer mehr zum Gesundheitsunternehmen entwickeln, um den veränderten Anforderungen von Kostenträgern und Patienten gerecht zu werden.

Der Begriff des Gesundheitsunternehmens ist dabei allerdings weit definiert und umfasst Einzelpraxen mit entsprechender Spezialisierung im IGeL-Bereich ebenso wie komplexe Formen von Kooperationen zwischen Leistungserbringern bis hin zur integrierten Versorgung.

Die Vielfalt der Kooperationsmöglichkeiten führt bei den Ärzten häufig zu einer Form von Duldungsstarre: Wenn zu viele Alternativen zur Wahl stehen, wird keine umgesetzt.

In der Praxis taucht daher häufig die Frage auf, wie der einzelne Arzt die für ihn passende Form der Spezialisierung beziehungsweise Kooperation findet und wie diese dann umgesetzt werden kann. In der Praxis hat sich ein strukturierter Fahrplan für den Weg von der Einzelpraxis in das Gesundheitsunternehmen herauskristallisiert, der folgende Komponenten umfasst:

Vision und Zielfindung: Was ist das Ziel der ins Auge gefassten Änderungen?

Mannschaftsaufstellung: Wer ist mit dabei?

Ist-Analyse: Was können wir?

Soll-Analyse: Was wollen wir können?

Juristisches und steuerliches Konzept: Wo sind die Hürden?

Marketing: Wer braucht welche Informationen?

Investition und Finanzierung: Was wird benötigt und woher kommt das Geld?

Organisation und Maßnahmen: Wer macht wann was?

Businessplan: Wer schreibt, der bleibt!

Wer diese Module umsetzt, wird die richtige Form der Kooperation identifizieren. Die Schritte im Einzelnen:

1. Zielfindung: Am Anfang der Überlegungen steht die Frage nach dem Ziel einer Spezialisierung oder einer Kooperation. In der Beratungspraxis wird von Ärzten häufig der Wunsch geäußert, eine konkrete Koopera tionsform, zum Beispiel ein MVZ, zu gründen.

Die Frage nach dem besonderen Zweck gerade dieser Einrichtung ist den Beteiligten aber häufig nicht klar. Der hier vorgestellte Fahrplan beginnt daher mit der Zielfindung. Die Frage nach dem konkreten juristischen und steuerlichen Modell stellt sich erst später.

Bei der Zielfindung sind sowohl der Zweck des geplanten Gesundheitsunternehmens als auch die Ziele der Beteiligten zu berücksichtigen. Das geplante Gesundheitsunternehmen braucht ein Alleinstellungsmerkmal, das die spezifischen Wünsche von Patienten, Kostenträger, Öffentlichkeit und Leistungserbringern berücksichtigt.

Dazu kommt: Die Ziele der beteiligten Leistungserbringer müssen zueinander passen (zum Beispiel Verbesserung der medizinischen Versorgung in einer Region) oder im Falle der Zielkonkurrenz mindestens transparent und bekannt sein. Wenn etwa einer der beteiligten Ärzte ein höheres Einkommen anstrebt, während ein anderer geringere Arbeitszeiten oder weniger Verantwortung wünscht, so sind beide Ziele trotz Zielkonkurrenz in Übereinstimmung zu bringen, wenn für den zweiten Kollegen zum Beispiel ein Anstellungsverhältnis geplant wird.

Die Diskussion und Erörterung sowohl der offenen als auch der verdeckten Ziele und Motivationen der Beteiligten sind von entscheidender Bedeutung, da erfahrungsgemäß die meisten Vorhaben im Bereich des Gesundheitswesens an solchen nicht diskutierten Vorstellungen scheitern.

2. Mannschaftsaufstellung: Sind die Ziele geklärt, ist festzulegen, welche Personen das Gesundheitsunternehmen umsetzen. In der Regel sind dies die Initiativpraxen, die Visionäre. In dieser Phase sollte der Kreis der beteiligten Personen zunächst klein gehalten werden, um Bedenkenträger erst später zu berücksichtigen.

Spätestens in dieser Phase sollte für alle Beteiligten ein nennenswerter Geldbetrag gefordert werden, zum einen, um die notwendige Handlungsfähigkeit zu sichern, und zum anderen, um die nötige Ernsthaftigkeit bei den Beteiligten zu prüfen.

3. Ist-Analyse: Bei der anschließenden Ist-Analyse geht es insbesondere um die Frage, welches Leistungsspektrum und welche Schwerpunkte, Spezialisierung(en) und Interessen die beteiligten Leistungserbringer haben.

Dabei sollte festgehalten werden, welche Vernetzungen bereits bestehen und wer mit welchem Partner zusammen arbeitet. Auf diese Weise kann das vorhandene Potenzial der einzelnen Beteiligten ermittelt werden.

4. Soll-Analyse: Für die Soll-Analyse ist festzustellen, wie auf Basis der Ziele das angestrebte Leistungs- bzw. Behandlungskonzept aussehen soll.

Das Behandlungskonzept muss insbesondere den Behandlungspfad konkretisieren und dabei die Abläufe festlegen einschließlich der notwendigen Schnittstellenoptimierung zwischen Hausarzt/Facharzt, Facharzt/ Facharzt und weiteren Leistungserbringern. Dabei ist zu prüfen, ob eine Orientierung an vorhandenen Leitlinien bei einzelnen Indikationen möglich ist.

Bei der Festlegung des Behandlungskonzeptes werden Zusatzleistungen in Form von Service-Angeboten, wie zum Beispiel Telemedizin, Angebote im Bereich der Prävention, reduzierte Wartezeiten, zügige Terminvergabe, erweiterte Sprechzeiten und Angebote zum Patiententransport, immer bedeutsamer.

Speziell während der Konzeptentwicklung ist immer wieder die Frage zu stellen, welche besondere Versorgungssituation in besonderer Weise von dem geplanten Gesundheitsunternehmen verbessert wird.

Dabei sind die Vorteile für Patienten, Kostenträger, Leistungserbringer und relevante Öffentlichkeit klar herauszuarbeiten. Wirtschaftlicher Kern der Konzeptentwicklung ist die Feststellung der Kosten der geplanten Leistungen.

Da aussagefähige Daten zu Behandlungspfaden in der Versorgungsforschung häufig nicht vorliegen, sind die Beteiligten hier auf Schätzungen oder auf Erfahrungswerte der Kosten in den beteiligten Praxen angewiesen.

Diese können als Ausgangspunkt für die Kalkulation der neuen Leistungen dienen, wenn die Einsparungen durch optimierte Schnittstellen oder durch die möglichen Spezialisierungen der Beteiligten berücksichtigt werden.

Die Einsparungen liegen häufig bei fünf bis zehn Prozent der ursprünglichen Behandlungskosten. Zu erfassen sind auch zusätzliche Kosten, die durch weitere Behandlungsleistungen, Serviceleistungen und freiwillige Präventionsleistungen entstehen. Zusätzlich werden im neuen Unternehmen Prozesskosten etwa durch externes Management, Marketing, IT oder Beratung anfallen.

Steuerberater Dr. Jürgen Karsten und Steuerberater Marc Müller sind Geschäftsführer der Kanzlei ETL ADVISION in Berlin.

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