Kursanstieg an den Börsen

Ziehen am Finanzhimmel dunkle Wolken auf?

Nach den hohen Kursanstiegen an den Börsen weltweit werden Experten skeptisch und raten zu Gewinnmitnahmen oder Umschichtungen in defensive Werte. Ein Grund für die negative Stimmung ist die unberechenbare US-Politik.

Von Richard Haimann Veröffentlicht:
Investoren schließen eine Götterdämmerung am Aktienmarkt nicht aus. © Stefan Lenz/fotolia.com

Investoren schließen eine Götterdämmerung am Aktienmarkt nicht aus. © Stefan Lenz/fotolia.com

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NEU-ISENBURG. An den Börsen gibt es derzeit anscheinend nur eine Richtung: nach oben. Der deutsche Leitindex Dax hat seit 2012 rund 73 Prozent zugelegt und notiert nur ein paar Prozentpunkte unter seinem Allzeithoch. Das amerikanische Schwergewichtsbarometer Dow Jones hat zuletzt fast jeden Tag neue Rekordmarken erreicht.

Der japanische Nikkei-Index ist in den vergangenen fünf Jahren um 97 Prozent in die Höhe geschossen. Doch der Höhenflug stimmt manche Experten skeptisch. Sie wissen: Die Börse ist keine Einbahnstraße. "Crashgefahren an den Aktien- und Anleihemärkten sind genügend vorhanden", erklärt Bernd Flothmann, Stratege beim Vermögensberater ICM Independent Capital Management in Neuss.

Weltkonjunktur hinkt hinterher

Denn die Weltkonjunktur ist in den vergangenen Jahren bei weitem nicht so stark gewachsen, wie die Wertpapierkurse in die Höhe schossen. "Seit Jahren warten wir darauf, dass die globale Wirtschaft wieder ähnlich stark wächst wie vor der Finanzkrise", sagt William Nygren, Aktienspezialist bei der Investmentgesellschaft Harris Associates in Chicago.

Doch bislang seien die Hoffnungen enttäuscht worden. "Wir sehen weiterhin unterdurchschnittliche Ergebnisse bei zyklischen Unternehmen", die von einer Erholung der Weltkonjunktur am stärksten profitieren würden.

Zudem erschienen bei vielen Aktien "inzwischen die Bewertungen recht hoch", sagt Daniel Roberts, Manager des Global Dividend Funds der US-Investmentgesellschaft Fidelity. "Damit die Kurse weiter steigen können, müssen die Gewinne deutlich zulegen." Dies sei jedoch schwierig.

Anleger in Deutschland sind vorsichtig

Was Experten noch skeptisch stimmt: In den USA verzeichneten Aktienfonds im Dezember einen Mittelzufluss von 27,8 Milliarden US-Dollar – der höchste Wert seit April 2000, just bevor die damalige Internetblase platzte. Dies sei ein deutliches Zeichen für das nahende Ende eines Booms, sagt David Santschi, Vorstandschef des US-Analysehauses TrimTabs Investment Research. "Privatanleger kommen immer erst in großer Zahl, wenn die Märkte nahe ihres Tops sind."

Hierzulande hingegen sind Anleger schon vorsichtig. Nach Angaben des Fondsverbands BVI zogen sie vergangenes Jahr 1,8 Milliarden Euro aus Aktienfonds ab. Möglicherweise sind Privatinvestoren hierzulande die letzten Crashs präsenter. Denn die deutschen Börsen gingen dabei deutlich stärker in die Knie als ihre US-Pendants. Der Dax verlor beim Platzen der Internet-Blase 67 Prozent und 2008 zur Finanzkrise 51 Prozent.

Risikofaktor Trump

Was jetzt zum Crash führen könnte, sei die Politik des neuen US-Präsidenten Donald Trump, meint Flothmann. Sollte er die angedrohten Einfuhrzölle auf Waren aus anderen Ländern erheben, würde dies "extrem negative Folgen für den deutschen Export mit sich bringen". Ein weiteres Problem, ergänzt er, "wäre eine massive Ausweitung der US-Staatsverschuldung durch Trumps Infrastrukturprogramm."

Washington müsste dann höhere Zinsen für Staatsanleihen bieten. Dies könnte Investoren dazu verleiten, Kapital aus anderen Weltregionen in die USA umzuleiten und den dortigen Börsen Kursrückschläge bescheren.

"Crashgefahren gibt es genügend"

Jetzt einen Teil der Aktien oder Fondsanteile zu verkaufen und Gewinne zu realisieren, ist eine Möglichkeit, wie sich Anleger vor einem potenziellen Crash schützen können. Damit hätten sie zugleich Barreserven, um wieder Aktien zu erwerben, wenn deren Kurse gefallen sind. Anleger, die Sicherheit suchen, aber weiterhin Dividendenrenditen erzielen wollen, könnten in "Qualitätsaktien aus defensiven Branchen umschichten", empfiehlt Fidelity-Experte Roberts.

Das sind etwa Pharma-Titel oder Hersteller von Grundbedarfsgütern. Zu letzteren zählen etwa Henkel, Nestlé oder Unilever. Denn Medikamente, Nahrungs- und Reinigungsmittel benötigen Menschen immer – auch in Krisenzeiten.

Aktionäre können sich zudem mit Stopp-Loss-Orders schützen. Dabei legen sie eine Schwelle fest, bei deren Unterschreitung die Aktie automatisch zum nächsten Handelskurs verkauft wird. Fallen die Börsen dramatisch, kann der tatsächliche Verkaufspreis jedoch etliche Prozent unter der Schutzschwelle liegen.

"Crashgefahren an den Aktien- und Anleihemärkten sind genügend vorhanden."

Bernd Flothmann Stratege beim Vermögensberater ICM Independent Capital Management

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