Steuerpolitik

Was ist möglich? Was wollen die Parteien?

Die anhaltend gute Konjunktur hat den öffentlichen Kassen eine Steuerschwemme beschert. Der Bund kommt seit 2014 ohne Neukredite aus. Zeit also für Steuersenkungen? Die Pläne dazu fallen je nach Partei unterschiedlich aus.

Helmut LaschetVon Helmut Laschet Veröffentlicht:

BERLIN. Der Terminus technicus für das Phänomen heißt "fiscal drag", betroffen davon sind Arzthelferinnen ebenso wie Praxischefs und Ärzte in Weiterbildung. Und in der Realität stehen beachtliche Zahlen dahinter: Die Summe der Löhne und Gehälter stieg zwischen 2010 und 2016 um 22 Prozent auf gut 1,3 Billionen Euro – aber die Einnahmen des Staates aus der Lohn- und Einkommensteuer um 50 Prozent auf zuletzt 239 Milliarden Euro.

Ursächlich sind die Gestaltung des Steuertarifs und seine Progression: So steigt der Steuersatz zwischen 8821 und 13.770 Euro steil von 14 auf 24 Prozent an und erreicht dann mit kontinuierlichem Zuwachs 42 Prozent bei 54.058 Euro (Single) im Spitzensteuersatz.

Für geringe und mittlere Einkommen führt der steile Anstieg der Progression zu einer wachsenden Steuerbelastung, Besserverdienende erreichen immer schneller den Spitzensteuersatz. Auch die mit zuletzt 166 Milliarden Euro zweitwichtigste Steuer, die Umsatzsteuer, steigt stärker als die Einkommen.

Seit 2014 macht der Bund keine Schulden mehr, er kann sogar tilgen. Die Verschuldungsquote nähert sich dem Maastricht-Kriterium von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Auch die Länder haben zuletzt Haushaltsüberschüsse erzielt. Ein Problem bleibt die sehr unterschiedliche Pro-Kopf-Verschuldung.

Auch in den kommenden Jahren kann der Staat mit wachsenden Steuereinnahmen rechnen, auch dann wenn er die Bürger durch Reformen entlastet. Erst am Donnerstag haben die Europäische Zentralbank und die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute ihre Konjunkturprognose für 2017 bis 2019 um bis zu 0,3 Prozentpunkte für Deutschland angehoben.

Alle Parteien, die voraussichtlich im nächsten Bundestag vertreten sein werden, planen Steuersenkungen. Aber in sehr unterschiedlicher Ausgestaltung, in unterschiedlichem Ausmaß und sehr verschiedenen (Um-) Verteilungswirkungen.

Union

Haushaltspolitik:Keine neuen Schulden im Bund, weitere Schuldentilgung. Finanzielle Spielräume für Investitionen in Bildung, Forschung und Infrastruktur nutzen.

Steuerpolitik: Die Steuerquote soll nicht steigen. Senkung der Einkommensteuer um gut 15 Milliarden Euro. Gerechtere Ausgestaltung des Steuertarifs (Abflachung des „Mittelstandsbauchs“). Spitzensteuersatz erst ab 60 000 Euro (Single). Erhöhung des Kinderfreibetrags schrittweise auf den des Erwachsenenfreibetrags, Kindergelderhöhung um 25 Euro pro Monat. Ersatz der Abgeltungssteuer (25 Prozent) durch Besteuerung mit dem individuellen Steuersatz. Keine Vermögensteuer.

SPD

Haushaltspolitik: Erhöhung der staatlichen Investitionsquote, vor allem für Wohnungsbau, Verkehrswege, schnelles Internet, Energieeffizienz und Polizei.

Steuerpolitik: Kinderbonus (Abzug von 150 Euro für jeden Partner von der Steuerlast), Abschaffung des Soli für untere und mittlere Einkommen ab 2020, Anhebung von Freigrenzen, Steuersatz von 42 Prozent ab 60 000/ 120 000 Euro, höherer Spitzensteuersatz ab 76 200 Euro von 45 Prozent. Reichensteuer von 48 Prozent ab 250 000 Euro. Abschaffung der Abgeltungssteuer, Reform der Erbschaftsteuer, steuerliche Absetzbarkeit von Managergehältern bis zu 500 000 Euro.

Die Grünen

Haushaltspolitik: Keine Aussage.

Steuerpolitik: Verfassungsfeste, ergiebige und umsetzbare Vermögenssteuer für „Superreiche“. Einkommensteuer: Erhöhung des Grundfreibetrags zur Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen, Erhöhung des Spitzensteuersatzes ab 100 000 Euro (Single). Unternehmensteuern: Erhöhung der Geringfügigkeitsgrenze für die Abschreibung von Wirtschaftsgütern auf 1000 Euro (zur Zeit 480 Euro), 15 Prozent Steuergutschrift für Investitionen in Forschung und Entwicklung, flexibles und zinsfreies Darlehen bis zu 15 000 Euro für Unternehmensgründer.

FDP

Haushaltspolitik: Gleiche Wohlstandsgewinne für Bürger und Staat – Entlastungsvolumen bis 2021 von kumuliert 110 Milliarden Euro. Keine neuen Steuerarten.

Steuerpolitik: „Wiederherstellung einer fairen Balance zwischen Staat und Bürgern.“ Rechtsverschiebung des Steuertarifs, höhere Freibeträge, Abflachung des „Mittelstandsbauchs“. Regelhafte Überprüfung des Tarifs zur Vermeidung von kalter Progression. Abschaffung des Solidaritätszuschlags ab 2019. Erbschaftsteuer: Keine Besteuerung der Unternehmenssubstanz. Keine Vermögensteuer. Grunderwerbsteuer: Freibetrag von bis zu 500 000 Euro Kaufpreis.

Die Linke

Haushaltspolitik: Mehr Investitionen in öffentliche Infrastruktur: sozialer Wohnungsbau, Schulen, Krankenhäuser, Straßen, Schienen. Vorfahrt für den Staat.

Steuerpolitik: Vermögensteuer fünf Prozent ab einer Million Euro. Erbschaftsteuer: Schlupflöcher schließen. Erhöhung der Körperschaftsteuer von 15 auf 25 Prozent. Einkommensteuer: höherer Freibetrag von 12 600 Euro, Erhöhung des Spitzensteuersatzes ab 70 000 Euro auf 53 Prozent, 60 Prozent ab 260 000 Euro und 75 Prozent ab einer Million Euro. Faustregel: Wer als Single unter 7100 Euro brutto monatlich verdient, soll weniger Steuern bezahlen. Abschaffung der Abgeltungssteuer.

AfD

Haushaltspolitik: Vorrangiger Abbau von Subventionen und überflüssigen Staatsausgaben für Bürokratie und Gehälter von Bischöfen, Reduzierung der Steuerquote.

Steuerpolitik: Absenkung der allgemeinen Mehrwertsteuer von 19 auf 12 Prozent, allgemeine Abgabenbremse für Steuern, Beiträge und Gebühren, Entwicklung eines „zukunftsorientierten Steuersystems“; Ablösung des progressiven Tarifs durch Steuerstufen, Indexierung der Tarife, Freibeträge und Pauschbeträge, Anhebung des Grundfreibetrags auf das pfändungsfreie Einkommen, Ausbau des Ehegattensplittings auf ein Familiensplitting, Abschaffung der Erbschaftssteuer.

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