Jahresgutachten der Wirtschaftsweisen

Steuersenkung auch für Besserverdiener

Gibt es berechtigte Aussicht auf Steuersenkungen in diese Wahlperiode? Eindeutig ja, sagen die Wirtschaftsweisen – aber es wird kein Füllhorn an Entlastung sein.

Helmut LaschetVon Helmut Laschet Veröffentlicht:
Mehr netto vom Brutto: Das ist möglich, sagen die Wirtschaftsweisen.

Mehr netto vom Brutto: Das ist möglich, sagen die Wirtschaftsweisen.

© Marco2811 / fotolia.com

BERLIN. Die Kompensation der kalten Progression und der 2019 auslaufende Solidarpakt II sowie die damit entfallende Rechtfertigung des Solis begründen eine berechtigte Aussicht auf Steuerentlastungen für alle – auch für Besserverdiener wie Ärzte. In seinem am Mittwoch vorgelegten Jahresgutachten 2017 zeigt der Sachverständigenrat für die Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung aber auch die Grenzen.

In der Steuerpolitik sehen die Wirtschaftsweisen zwei Optionen. Das ist erstens die Rückführung der kalten Progression. Sie entsteht dadurch, dass in einem progressiven Einkommensteuertarif die Steuerzahler mit jeder Einkommenserhöhung prozentual stärker belastet werden.

Kalte Progression bringt Milliarden

Besonders ausgeprägt ist dieser Effekt bei unteren und mittleren Einkommen. Die Summe der auf diese Weise seit 2009 entstandenen zusätzlichen Belastungen – vice versa der nicht gerechtfertigten zusätzlichen Steuereinnahmen des Staates – beziffert der Rat auf 30 Milliarden Euro. Zu erreichen wäre eine Steuerentlastung mit einer Rechtsverschiebung des Tarifs.

Eine Kompensation der Steuerentlastung unterer und mittlerer Einkommen durch einen höheren Spitzensteuersatz – dies sieht das Modell des niedersächsischen Ministerpräsidenten Weil vor – lehnt der Rat ab: "Die Einkommensteuer belastet immer die Gewinne ... von Selbstständigen. Eine Anhebung des Spitzensteuersatzes würde zu negativen Investitionsanreizen für den Mittelstand führen." Das konterkariere das Ziel, mit Investitionen das ausgelastete Produktionspotenzial zu erhöhen. Kombiniert werden sollte eine Tarifreform ferner mit einer schrittweisen Abschaffung des Solis.

Doppelbesteuerung des Kapitals

Für nicht begründet hält der Rat die Abschaffung der Abgeltungssteuer für Kapitaleinkünfte. Mit Ausnahme von Zinsen seien ausgeschüttete Gewinne – etwa auf Aktien oder Genussscheine – bereits der Körperschafts- und Gewerbesteuer unterworfen, und hier liege Deutschland mit einer Abgabenquote von 31,5 Prozent im europäischen Spitzenfeld. Würden Kapitaleinkünfte der persönlichen Einkommensteuer unterworfen, würden Anreize für Investitionen verringert.

Eine weitere Entlastungsoption sieht Rat in der Senkung des Zusatzbeitrags in der GKV um 0,1 Prozentpunkte, vor allem aber in der Reduktion des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung um 0,5 Punkte. Dies würde Praxisinhaber bei Lohnnebenkosten entlasten, ferner hätten angestellte Ärzte und MFA mehr netto vom Brutto auf dem Gehaltszettel.

Der Rat macht aber wenig Hoffnung auf große Entlastungen – trotz einer "eindrucksvollen Verbesserung der Finanzlage". So habe der gesamtstaatliche Finanzierungsüberschuss mit 31,3 Milliarden Euro einen Rekordwert seit der Wiedervereinigung erreicht. Absehbar seien die Herausforderungen des demografischen Wandels. Daraus folgt die Empfehlung: Schuldenabbau und Priorisierung bei notwendigen Investitionen.

Die Prognose der Wirtschaftsweisen

  • Wachstum BIP: 2,0 Prozent in 2017, 2,2 Prozent 2018.
  • Inflationsrate: 1,9 Prozent 2018.
  • Privater Konsum: 1,8 Prozent 2017, 1,8 Prozent 2018.
  • Ausrüstungsinvestitionen: 2,3 Prozent 2017, 5,1 Prozent 2018.
  • Arbeitslosenquote: 5,8 Prozent 2017, 5,5 Prozent 2018.
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