Konjunkturprognosen

Wirtschaftsforscher: Der Blick in die Glaskugel bleibt auf kurze Sicht unscharf

Konjunkturprognosen verraten Anlegern zwar langfristige Trends – sie schützen sie aber nicht vor kurzfristigen Börseneinbrüchen. Vorsicht ist auch bei "politischen Börsen" geboten.

Von Richard Haimann Veröffentlicht:
Wirtschaftsprognosen geben Anlegern keine kurzfristige Erfüllungsgarantie.

Wirtschaftsprognosen geben Anlegern keine kurzfristige Erfüllungsgarantie.

© BeTa-Artworks / Fotolia

NEU-ISENBURG. Für viele Anleger sind die Konjunkturprognosen renommierter Wirtschaftsexperten Richtschnur bei der Geldallokation. Verheißen Unternehmen steigende Umsätze, investieren die privaten Investoren in Aktien. Wird eine Abkühlung der Konjunktur vorausgesagt, parken sie ihr Kapital vorsichtshalber auf niedrig verzinsten Festgeldkonten oder in Staatsanleihen.

Doch das Vertrauen in die Experten hat sich zuletzt deutlich eingetrübt. Noch zu Jahresbeginn stellte das Münchner Ifo-Institut für 2018 einen Zuwachs beim deutschen Bruttoinlandsprodukt von 2,6 Prozent in Aussicht.

Die Forscher vom Kieler Institut für Weltwirtschaft sagten ein Plus von 2,5 Prozent vorher. Doch an der Börse hielt die gute Stimmung nur bis Ende Januar, dann ging der deutsche Aktienleitindex Dax auf Talfahrt. Doch erst im Juni kappten die Auguren in der Isar-Metropole und der Förde-Stadt ihre Prognosen leicht, verheißen der hiesigen Wirtschaft für dieses Jahr aber immer noch ein Wachstum von zwei Prozent. Der wesentliche Grund dafür: Der schon lange zuvor von US-Präsident Donald Trump angekündigte Handelskrieg gegen China und möglicherweise auch gegen die EU. Mit hohen Zöllen will der starke Mann im Weißen Haus Amerikas Unternehmen und ihre Beschäftigten vor Importprodukten schützen.

Börsianer handeln schnell

Für Petra Ahrens, Vorstand des Kölner Vermögensmanagers Maiestas, ist es nicht überraschend, dass Börsianer schneller als die Wirtschaftsexperten auf den sich anbahnenden Handelskonflikt reagierten. "Konjunkturprognosen stellen im besten Fall Trends dar, die jedoch nicht verlässlich sind." Zur Ermittlung müssten Wirtschaftsdaten erst gesammelt und dann ausgearbeitet werden. "Dadurch werden die Schätzungen erst veröffentlicht, wenn schon einige Monate vergangen sind", sagt Ahrens. Thomas Buckard, Vorstand der Wuppertaler Vermögensverwaltung MPF, sieht Konjunkturprognosen noch kritischer: "Sie sind nur ein Versuch, aus den Ergebnissen der Vergangenheit auf die Zukunft zu schließen – und daher alles andere als verlässlich."

Wolfgang Juds, Geschäftsführer des Nürnberger Vermögensmanagers Credo, rät zwar davon ab, kurzfristige Anlageentscheidungen anhand von Konjunkturprognosen zu treffen. "Neue Entwicklungen wie der Handelskonflikt oder zuvor der Austritt Großbritanniens aus der EU, der Brexit, sind schwierig vorauszusagen." Dafür zeigten die Analysen jedoch "langfristige Trends, wie den Aufstieg der Schwellenländer in Asien", sagt Juds. Auch Uwe Eilers, Geschäftsführer der Anlageberatung Frankfurter Vermögen, hält "Prognosen bei langfristigen Anlageentscheidungen für brauchbar".

Ohnehin sollten Anleger Einbrüche an den Aktienmärkten durch Auseinandersetzungen wie den Handelskonflikt nur als vorübergehende Erscheinung werten, sagt Eilers. "Politische Börsen haben kurze Beine." Auch nach dem Brexit-Votum erholten sich die Börsen in Kontinentaleuropa und Großbritannien schnell wieder. Anleger sollten deshalb auch bei Börsenturbulenzen auf ein "stabiles Wertpapierdepot mit Aktien aus verschiedenen Branchen und Ländern setzen".

Konjunkturresistentes Depot ratsam

Helge Müller, Chefstratege der Genfer Vermögensberatung Genève Invest, rät zu Papieren von "Unternehmen aus nichtzyklischen Branchen, die unabhängig von der Konjunkturentwicklung stabile und wachsende Einnahmen haben". Dazu zählen Pharmakonzerne und Hersteller von Konsumgüterprodukten des täglichen Bedarfs – wie Danone, Henkel, Nestlé oder Procter & Gamble. "Exportorientierte Branchen wie die Automobilindustrie sind hingegen anfälliger für zyklische Konjunkturschwankungen und Handelskonflikte", sagt Müller.

Auch Michael Thaler, Vorstand der Münchner TOP Vermögen, rät zu Aktien von Produzenten täglicher Bedarfsgüter. "Sie sind an den Börsen viel günstiger als Papiere von High-Tech-Konzernen bewertet" und schütten zudem kontinuierlich Dividenden aus. Dabei würden auch diese Unternehmen von neuen Technologietrends profitieren: "Egal, zu welchen Produkten Amazons digitale Helferin Alexa Konsumenten beim Einkauf über das Internet rät", sagt Thaler. "Am Ende sind es Waren von Konsumgüterproduzenten, die von ihr empfohlen und danach erworben werden."

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