Anlagen-Kolumne
Kehrtwende in der Geldpolitik mit Folgen?
Nun scheint es so, dass Null- und Negativzinsen für lange Zeit Bestand haben. Der EZB-Chef Draghi hat kurz vor seinem Amtsende eine fast unendlich lockere Geldpolitik angekündigt. Vor nur neun Monaten versprach er das Ende von Zinssenkungen, nun vollzieht er eine 180 Grad-Wende.
Die Nebenwirkungen der EZB-Großoffensive werden gewaltig sein. Wenn Geld lange derart billig ist, wird der Anlagenotstand die Vermögenspreise weiter ansteigen lassen. Auch wird die Verschuldung deutlich ansteigen, es werden unzählige Fehl- und Modeinvestitionen getätigt. Die günstigen Hypothekenkredite locken Privatanleger in neue Immobilienschulden. Staaten bekommen Lust auf noch mehr Schulden und Unternehmen tätigen Investments, die bei höheren Zinskosten zu Recht unterbleiben.
Zinspapiere und Immobilien haben sich im Verhältnis zu deren laufenden Erträgen (Zinsen oder Mieteinnahmen) stark verteuert. Aktien sind die einzige Anlageklasse, die von den Zinssenkungen so gut wie nicht profitieren konnten. Seit dem Einführen des Negativzinses durch die EZB vor vier Jahren bewegen sich europäische Aktien mehr oder weniger seitwärts. Während sich bei Immobilien die Schere von Kaufpreis zu Miete immer weiter öffnet, haben sich die Aktienbewertungen wie Kurs zu Umsatz, Kurs zu Gewinn oder Kurs zu Dividende nicht wesentlich verändert.
Das liegt an der bisherigen Erwartung, dass Zinsen in naher Zukunft wieder deutlich steigen könnten. Diese Aussichten sind nun von den führenden Notenbanken begraben worden. Eine Neueinschätzung der einzelnen Vermögensklassen und insbesondere der Aktienanlage ist daher notwendig. Eine im Moment noch nicht vorstellbare Bewertungsausweitung könnte nach dem Immobilienmarkt auch dem Aktienmarkt bevorstehen.