Hochzins-Anleihen

Revier der Zocker oder Anlageparadies?

Privatanleger müssen den Spagat zwischen Rendite und Risiko wagen, wenn sie sich in das Segment der Hochzins-Anleihen begeben. Denn nicht umsonst heißen diese Papiere auch Ramschanleihen.

Von Jürgen Lutz Veröffentlicht:

NEU-ISENBURG. Handwerk hat goldenen Boden – und bietet höhere Renditen als jedes Bankkonto: Mit solchen Aussichten wirbt derzeit eine Großbäckerei, die 125 Jahre alt wird, für ihre "Jubiläumsanleihe". Fünf Prozent pro anno winken Anlegern, die den Bäckern für fünf Jahre Geld leihen.

Geht man nach bisherigen Erfahrungen mit ähnlichen Anleihen, dürften die Hessen die angestrebten sieben Millionen Euro locker zusammen bekommen. Schließlich, so die Logik der frisch gebackenen Gläubiger, gibt's für Geld auf der Bank keine Zinsen mehr, bei Bundesanleihen zahlt man sogar drauf – also nehmen sie mit einer hochverzinslichen Anleihe mehr Risiko in Kauf.

Mit ihrem Appetit auf ordentliche Zinsen sind die Deutschen nicht allein. Auch in den USA, in denen die als "High Yields" bekannten Papiere eine weit größere Bedeutung haben, stürzen sich die Anleger auf das dort 1,4 Billionen Dollar schwere Anlagesegment. So flossen allein im Juli mehr als vier Milliarden in die Papiere, die in der Branche den unfeinen Namen Ramsch- oder Schrottanleihen ("Junk Bonds") tragen.

Dieser starke Zufluss ist nicht verwunderlich, denn 2016 haben High Yields mit ihren zweistelligen Kurszuwächsen selbst den robusten US-Aktienmarkt abgehängt. Darüber hinaus streichen Anleger satte Ausschüttungen von derzeit gut fünf Prozent ein. Warum also bei Hochzins-Anleihen vorsichtig sein?

Als Portfolioergänzung denkbar

Finanzprofis wie Michael Graff von der Spiekermann & Co AG in Bielefeld fallen dazu gleich mehrere gute Gründe ein: "Viele Anleger unterschätzen, wie risikoreich High Yields sind. Mancher sieht sie sogar als Ersatz für eine Staatsanleihe – ein fataler Irrtum."

In der Tat entwickeln sich hochverzinsliche Anleihen nicht wie sichere Staatsanleihen, sondern fast parallel zum Aktienmarkt: So verloren entsprechende Fonds im Krisenjahr 2008 durchschnittlich 30 Prozent an Wert, während US-Staatsanleihen über 20 Prozent hinzugewannen. Wer hochverzinsliche Anleihen kauft, sollte also wissen, dass sie sehr risikoreich sind. Gleichwohl können diese Papiere nach Graffs Worten den Risikoteil eines Portfolios sinnvoll ergänzen.

Zwei Faktoren sorgen im Wesentlichen für die Kursschwankungen: "Bei High Yields ist die Gefahr, dass Firmen bei der Zinszahlung ausfallen oder gar Insolvenz anmelden, höher als bei sicheren Schuldnern – eben deshalb müssen sie deutlich höhere Zinsen zahlen", sagt Axel Melber von Werther und Ernst Vermögensverwalter in Bielefeld.

Als Beispiel nennt er Fracking-Unternehmen aus den USA: Etliche dieser Firmen gingen pleite, als sich 2015 der Ölpreis halbierte. Zudem reagieren High Yield-Anleihen empfindlich auf Zinserhöhungen, also eine härtere Gangart der Geldpolitik wie im Jahr 2013. Damals kündigte die US-Notenbank an, keine Staatsanleihen mehr zu kaufen – die Kurse von Ramschpapieren brachen daraufhin drastisch ein.

Was viele Anleger in ihrer Jagd nach höheren Zinsen übersehen: Auf langfristige Sicht und im breiten Mittel gibt es bei Hochzins-Anleihen nicht mehr zu holen als bei Staatsanleihen. "Denn gäbe es eine strukturelle Mehrrendite, würden Investoren mit Durchblick dies erkennen und nutzen – und dadurch würde sich diese Mehrrendite in Luft auflösen", erklärt Graff. In der Realität sorgen Ausfälle von Schuldnern für diesen Ausgleich.

Hohe Ausfallquote

Anleger sollten daher weniger auf Fondsgesellschaften hören, die zwecks Produktverkauf gern die aktuell niedrigen Ausfallraten bemühen. Aussagekräftiger sind die Erkenntnisse von Ratingagenturen, die seit Jahrzehnten die Kreditwürdigkeit von Staaten und Unternehmen bewerten. Demnach gehen während der Anleihelaufzeit vier von zehn Firmen mit High-Yield-Status pleite – keine schöne Aussicht!

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