Auch beim Start fehlt der Gesundheitskarte immer noch die Akzeptanz vieler Ärzte

Am 1. Oktober fällt der offizielle Startschuss für die Ausgabe der elektronischen Gesundheitskarte. Doch der Widerstand vieler Ärzte gegen die Karte lässt nicht nach. Der Erfolg des Projekts hängt am seidenen Faden.

Hauke GerlofVon Hauke Gerlof Veröffentlicht:
Noch stehen längst nicht in allen Praxen in Nordrhein Kartenlesegeräte, die auf die neue Karte zugreifen können.

Noch stehen längst nicht in allen Praxen in Nordrhein Kartenlesegeräte, die auf die neue Karte zugreifen können.

© Foto: sbra

Das hätte sich Gesundheitsministerin Ulla Schmidt wohl kaum träumen lassen. 2001 entwickelte sie aus Anlass der heftigen Wechselwirkungen des Statins Lipobay® mit Fibraten die Idee eines Arzneimittelpasses, um die Arzneimittelsicherheit zu verbessern. Daraus wurde zwei Jahre später das Projekt der elektronischen Gesundheitskarte (eGK). Die Karte sollte zum verbindenden Element der Telematik-Infrastruktur werden, einer sicheren technischen Plattform, über die alle Akteure im Gesundheitswesen vernetzt werden.

Der Start der eGK - eines der größten IT-Projekte weltweit - wurde per Gesetz auf den 1. Januar 2006 festgesetzt. Das Datum steht immer noch im Gesetz, vielleicht um den Projektverantwortlichen ein schlechtes Gewissen zu machen. Denn mittlerweile beläuft sich die Verspätung auf fast vier Jahre, und wenn jetzt der offizielle Startschuss für die Ausgabe der Karte fällt, dann kann die eGK - außer dass jetzt ein Foto des Versicherten aufgedruckt ist und dass der europäische Krankenschein auf der Rückseite steht - immer noch nicht mehr als die alte Krankenversichertenkarte von Mitte der 90-er Jahre. Die Online-Anbindung an die Telematik-Infrastruktur dürfte, auch weil noch praxistaugliche Lösungen für Online-Anwendungen der Karte wie das E-Rezept fehlen, frühestens ein Jahr später erfolgen.

Das Projekt, durch das unter anderen 350 000 Ärzte, 22 000 Apotheker, 2000 Kliniken und knapp 300 Krankenkassen vernetzt werden sollen, ist schon oft mit der Lkw-Maut verglichen worden, die zu Beginn ebenfalls mit enormen Startschwierigkeiten zu kämpfen hatte. Bei der Karte kommt zu den technischen Problemen erschwerend hinzu, dass zum einen Ärzte, Apotheker und Kliniken nicht immer einig darüber waren, wer wann über welche Daten, die über die Karte erhoben werden können, verfügen darf - mit der Folge, dass sich die Heilberufler als Gesellschafter in der Betreibergesellschaft gematik immer wieder gegenseitig blockierten.

Zum anderen war und ist die Skepsis vieler Ärzte angesichts der neuen Technik nach wie vor groß. In einem politischen Umfeld, in dem der Staat immer mehr Rechte beansprucht, den Online-Datenverkehr zu überwachen, sehen viele das Arzt-Patientenverhältnis gefährdet. Auf Ärztetagen haben die Kartenskeptiker immer wieder Beschlüsse durchgesetzt, die diese Skepsis deutlich zum Ausdruck brachten.

Bis Jahresende sollen jetzt die ersten 120 000 Karten an Versicherte in Nordrhein gehen, weitere Regionen könnten folgen. Doch noch immer gibt es, wie berichtet, viele Praxen im Rheinland, die nicht mit den nötigen Lesegeräten ausgestattet sind, um die Daten auf der Karte zu lesen. Bis Ende Oktober bieten die Kassen in Nordrhein Zuschüsse für den Kauf der Kartenleser.

Doch die Kartengegner, vor allem unter den Ärzten, hoffen immer noch, durch kollektive Verweigerung die Einführung der Karte torpedieren zu können. Entscheidend wird zum einen sein, ob es am Ende genug Lesegeräte in den Praxen geben wird - und nicht zuletzt auch, wie die Patienten die neue Karte nutzen werden. Offen ist auch noch, wie intensiv die neue Bundesregierung das Projekt weiter verfolgen wird.

Weitere Berichte zur neuen Gesundheitskarte finden Sie hier.

Der eGK-Paragraf im Sozialgesetzbuch

Paragraf 291 a Sozialgesetzbuch V, Absatz 1: Die Krankenversichertenkarte nach § 291 Absatz 1 wird bis spätestens zum 1. Januar 2006 zur Verbesserung von Wirtschaftlichkeit, Qualität und Transparenz der Behandlung für die in den Absätzen 2 und 3 genannten Zwecke zu einer elektronischen Gesundheitskarte erweitert.

Absatz 5: Das Erheben, Verarbeiten und Nutzen von Daten mittels der elektronischen Gesundheitskarte (...) ist nur mit dem Einverständnis der Versicherten zulässig (Anm. d. Red.: gültig vor allem für personenbezogene medizinische Daten).

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